Werbung ohne Auftrag* Zu meinem Job gehören Social Media. Auch Blogs leben von Interaktion, daher folge ich vielen BloggerInnen auf Social Media. Aktuell macht es mich aber alles so richtig müde und resigniert. Denn, sowohl einige Bloggerinnen als auch besonders ihre FollowerInnen sehen die Welt gefühlt schwarz-weiß. Natürlich kennen wir uns größtenteils nicht und es sind Momentaufnahmen. Aber Diskurs scheint oft nicht mehr möglich, es wird verdreht, unterstellt und beleidigt, wenn man eine Meinung nicht teilt oder differenzierter sieht. Denn aktuell jammern wir alle.
Differenzierungen und Sprache sind wichtig
Die wunderbare Madame Huhn hat bei mir einen tollen Gastbeitrag über diskriminierungsfreie Sprache geschrieben. Denn „Sprache ist Macht“. Mir fehlt das aber oft. Auch konstruktive und differenzierte Kritik wird oft auf pauschale Aussagen runter gebrochen. Beispielsweise habe ich Frühling 2020 die Initiative zu „CoronaEltern rechnen ab“ grundsätzlich verstanden und unterstützt, hatte aber ein paar Kritikpunkte. Die Reaktionen auf meine konstruktive Kritik (immer mit dem Hinweis, dass ich es gut und richtig finde, auf die Situation von Familien aufmerksam zu machen) waren Beleidigungen und Hass. Ich sei „zu dumm“, zu verstehen, was sie bezwecken. Wenn es mir super ginge, schön für mich. Ich sei „zu dumm“, die Stilmittel zu verstehen. Genau die Stilmittel, die ich eben kritisierte, nicht die Aktion an sich. Meine Sorge war, dass Politiker diese Forderungen missbrauchen (!) würden, zu unterstellen, Eltern wollten Schulöffnungen und Regelbetrieb um jeden Preis. Was ist passiert? Wurde eventuell übernommen, alle Eltern wollten offene Schulen, egal wie?
Nun sind die Schulen wieder zu bzw. im Notbetrieb
Ich fordere seit vielen Monaten #BildungAberSicher und ich hatte viele Vorschläge, was ich gerne möchte und wie man die Probleme und Situation lösen könnte. Sind meine Ideen toll und perfekt? Nein, natürlich nicht. Aber oft kommt als Reaktion nur destruktive Kritik. Keine konstruktiven Verbesserungsvorschläge. Kein gemeinsames Überlegen, was wie umsetzbar wäre, was es bräuchte und wie man die Probleme löst.
Weise ich drauf hin, dass mir meine Privilegien durchaus bewusst sind, ist die Reaktion „du hast Privilegien“.
Für uns ist es eine Erleichterung, dass die Schule zu ist bzw. keine Präsenzpflicht herrscht. Die Pandemie ist ätzend, keine Frage. Aber Kinder sind nicht immun, Kinder können auch schwer erkranken und andere infizieren. Schulen sind nicht sicher, besonders nicht, da seit Sommer die Maßnahmen des RKIs an Schulen nicht umgesetzt werden. Ich möchte meine Kinder und mich dem Risiko nicht aussetzen. #LasstDieSchulenZu Das bedeutet aber nicht, dass es unwichtig wäre, Betreuungsangebote und Unterstützung für Eltern zu fordern.
Jammern ist erlaubt
Aktuell ärgern mich einige Beiträge auf Social Media extrem. Da wird geklagt, unsere Elterngeneration hätte es so hart wie niemals Eltern zuvor. Mir fehlt in diesen grundsätzlich berechtigten Klagen jegliche Differenzierung. Natürlich ist es hart und unschön. Familien sind extrem belastet und aktuell sind auch die Aussichten mehr als mau. Jetzt kommt das große „aber“. Aber wir haben es absolut, definitiv nicht härter als irgendwer zuvor. Unsere Omas saßen im Krieg und dann in einem zerbombten Land. (wir müssen jetzt nicht diskutieren, wie es dazu gekommen ist). In vielen Ländern der Welt herrschen Krieg und Hungersnöte. In Moria und anderen Lagern sitzen Eltern mit ihren Kindern hungernd im Dreck.
Ja, Eltern haben es hart, Kinderbetreuung, Arbeit und pandemiebedingte Einschränkungen zu vereinbaren. Eltern haben keine Lobby und müssen gehört werden.
Verdrehungen und Unterstellungen
Mir fehlt teilweise einfach die Einordnung. Kritik und Probleme sollten benannt werden, genauso darf jede/r jammern und seine/ihre Situation zeigen. Wenn aber aus meinem „Natürlich (!!) darf jede/r jammern. Es ist anstrengend. […]“ gemacht wird, ich fände alles super toll und würde anderen das Leid absprechen, gemacht wird, nervt es nur noch. Nein, mache ich ausdrücklich nicht. Trotzdem sitzen wir alle immer noch ziemlich privilegiert in warmen Häusern, haben Internet, Strom und Essen und aktuell noch funktionierende medizinische Versorgung.
Aus der Tatsache, dass ich die meisten Maßnahmen leider für nötig halte und mir aktuell keine sinnvolle Alternative zu den Schulschließungen einfällt, wird gemacht, dass die Kinder der Kommentatorin ihre Freunde und Treffen vermissen. Meint jemand, dass meine Kinder oder ich die Pandemie super finden? Natürlich würden meine Kinder gern ihr normales Leben zurück haben, dauernd Freunde treffen und ohne Sorge vor Infektion in die Schule gehen! Nicht die Maßnahmen sind das Problem, sondern die Pandemie.
Aggressionen auf Social Media
Ich werde auch aggressiv. Nämlich, weil verdreht und unterstellt wird. Weil absolut übertrieben wird. Entschuldigt, es ist ein deutlicher Unterschied, ob man schreibt „MIR geht es nicht gut“ und ob jemand benennt, wo die Probleme liegen oder ob jemand meint, in der allerschlimmsten denkbaren Situation zu leben. Natürlich brauchen Eltern Unterstützung und einiges läuft mächtig schief. Dann wird aber direkt unterstellt, ich „arbeite nicht“ (doch!…) oder ich fände alles super (nein!…). Trotzdem haben wir es nicht „härter als alle anderen zuvor“ und mir kommt es oft wie ein Wettjammern und Reinsteigern vor.
Wir alle dürfen Corona und die Folgen richtig scheiße finden. Politik und Maßnahmen kritisieren. Aber ich finde eben vieles nicht differenziert. Wenn man differenziert, wird man wüst beschimpft. Ich sei „Heldin der Pandemie“ und fände alles toll und nicht belastend. Habe ich das jemals geschrieben oder gesagt? Ich sehe nur auch weiter meine Privilegien. Jede/r darf jammern und das hat seine Berechtigung. Aber wir haben es nicht am allerschlimmsten. Die Pandemie wird uns noch eine Weile begleiten, ich habe auch keine Lust mehr. Aber mein Ziel ist, dass wir irgendwie Gesundheit und Leben bewahren.
Die Welt ist nicht schwarz-weiß
Genauso wie die Diskussion darum, dass Präsenzunterricht „besser“ sei. Klar ist der meistens besser. Aber wir haben keine normale Situation, es geht um Menschenleben. Können wir nicht stattdessen auf Distanzlernen gehen und gleichzeitig Hilfe für Familien in prekären Lagen suchen? Wir dürfen gern der Politik und einigen Schulen vorwerfen, dass sie die Digitalisierung komplett verpennt haben. Mich ärgert auch, dass die Grundschule nach 10 Monaten Pandemie keinen digitalen Unterricht bietet. Mich macht es fassungslos, dass es keine Ausstattung für Kinder gibt und dass Schule der einzige sichere Ort für manche Kinder war. Genauso wie es leider nie Bildungsgerechtigkeit gab und das Problem sich verschlimmert.
Wir Eltern müssen laut werden und fordern! Unsere Glaubwürdigkeit ist aber höher, wenn das Ganze differenziert passiert. Stattdessen attackiert und beleidigt man sich gegenseitig, besonders dafür, wenn man etwas etwas differenzierter sieht.
Ich bin auch dafür, dass Eltern Rechtssicherheit bekommen, ein Betreuungsfrei und Verdienstausfälle kompensiert werden. Ich bin für Corona-Elterngeld. Meiner Meinung nach ist es aber nicht förderlich, wenn dazu fünfstellige Summen aufgerufen werden. Das Stilmittel ist aus meiner Sicht eher zerstörerisch. Auch sind manche Gruppierungen kritisch zu sehen, da sie nur Wirtschaftsinteressen vertreten. Denn, ob wir das gut finden oder nicht: Kinder sind nicht immun (siehe Österreichstudie und Daten aus UK). Regelbetrieb ist keine Option. Im Diskurs wird aber nicht mehr gemeinsam überlegt, welche Ideen gut sind, was funktioniert und was es braucht. Stattdessen wird beleidigt und angegriffen. Mir ist klar, dass meine „Ideen“ nicht total neu sind. Statt, dass mir die Alleinerziehende erklärt, was für sie an meinen Gedanken nicht funktioniert, sondern sie stattdessen bräuchte, wird mit aggressivst mitgeteilt, wie egoistisch ich sei und Alleinerziehende seien mir „egal“.
Gemeinsame Forderungen für ALLE
Können wir nicht gemeinsam überlegen, wer was braucht und dann differenzierte, flexible und individuelle Lösungen fordern? Aufhebung der Präsenzpflicht, aber durchdachten, für Kinder und Lehrkräfte sicheren Präsenzbetrieb? Rechtssicherheit und finanzielle Unterstützung für Eltern, die weniger arbeiten können. Generell finanzielle Unterstützung für Familien? Sichere und gute Betreuung für die, die es brauchen? Lösungen fordern, nicht nur für jetzt, sondern dauerhaft, für Kinder in prekären Lagen? Dauerhafte Bildungsgerechtigkeit fordern, damit Bildung nicht so stark am Elternhaus hängt? Kleine Schulklassen und mehr Digitalisierung?
Sehen, dass wir keine einfachen, perfekten Lösungen für die vielen Probleme und Folgen einer Pandemie finden werden. Aber trotzdem danach streben, die bestmögliche Lösung zu finden und zu fordern? Gemeinsam?
*unbezahlte, unbeauftragte Werbung
Ich stimme dir in allen Punkten zu. Viele Menschen schauen ehrfahrungsgemäß vor allem auf sich selbst und reagieren daher so aggressiv. Wenn man völlig überlastet ist, reflektiert man leider nicht mehr und möchte auch gar nicht reflektieren, sondern braucht „einfach“ eine Lösung. Die bietet uns aber keiner. Ich bin nach einer Woche auch schon wieder durch, ehrlich gesagt, und habe noch nicht einmal meine Soll-Arbeitszeit erfüllt. Das muss ich nacharbeiten. Aber ich habe das Privileg, dass wir ab morgen die Notbetreuung nutzen können und die Überlastung damit ein Ende hat … Nur so viele andere weinen sich trotzdem abends in den Schlaf, weil es nicht leistbar ist und trotzdem geleistet werden muss. Vor diesem Hintergrund lasse ich die Eltern schwarz-weiß denken, denn ein online Streit macht es nur noch schlimmer. Schieben wir uns lieber eine virtuelle Umarmung rüber und überlegen weiter, ob uns nicht doch Lösungen einfallen. Einige Ansätze gibt es ja (Kinderkrankengeld, Bezahlte Freistellung), aber leider noch mit Homeoffice-Klauseln (denn im Homeoffice kann man sich laut den aktuellen Beschlüssen um seine Kinder kümmern) oder Unklarheiten, denn wie läuft das mit den zusätzlichen Kindkranktagen? Wir brauchen noch mehr und einfachere Lösungen.
Ich sehe auch absolut die Not und Überlastung von Familien. Bei uns ist auch nicht alles total rosa Sonnenschein. Aber aktuell wird nur unterstellt und attackiert, statt nach Lösungen zu suchen. WIR brauchen beispielsweise absolut gar keine Betreuung. Trotzdem fordere ich Betreuungsangebote, weil ANDERE sie benötigen. Wenn ich aber sage, ich möchte das immense Risiko des Präsenzbetriebs nicht, kommen andere und fordern Präsenzpflicht im Regelbetrieb FÜR ALLE. Oder meine Aussage wird verdreht in „DU brauchst keine Betreuung, schön für dich, WIR aber“, was ich nie wem abgesprochen habe.
Bei uns bleiben auch Sachen auf der Strecke. Natürlich. Die Situation ist absolut belastend. Jede/r darf jammern und ihre/seine Probleme schildern und Lösungen fordern. Aber ich kriege Aggressionen, dass teilweise jegliche Nuancierung fehlt. Du schilderst Deine Situation, die ich absolut nachvollziehen kann. Das ist Mist. Aber du behauptest nicht, niemand habe es jemals schlimmer als Du jetzt gehabt. Genau das fehlt mir. Auch aktuell gibts Millionen Menschen, denen es noch schlechter geht. Denen geht es nicht besser, wenn es uns gut gehen würde. Uns geht es auch nicht individuell und subjektiv besser, weil es jemandem viel schlechter geht. Aber ich finds gelinde gesagt geschmacklos, wenn man dann in unserer Situation explizit schreibt, man habe es am allerschlimmsten und „niemand“ sonst leide so. Es wird oft nicht individuell geschrieben, sondern absolut. Wenn man aber selbst differenziert und es nicht in das simple Bild passt, wird die Aussage so lange verdreht, bis sie in ein Extrem passt.
Ich bin auch dabei…nervt es mich, ja. Bin ich coronamüde- definitiv. Finde ich die Abstandsregeln und Kontaktreduktion sinnvoll- absolut.
Und finde ich alles schlecht- nein. Die Maßnahmen sorgen bei uns auch für Emtschleunigung und sehr intensive Familiemzeit, was schön ist. Sage ich das, wird es gleich negativ ausgelegt.
Und für mich am schlimmsten ist das Jammern, der armen physisch belasteten Kinder. Das Ist bestimmt auch schwieriger für Einzelkind etc. ,aber oft sehe ich nur das Bedürfnis der Erwachsenen auf die Kinder übertragen, vorgeschoben. Meine Kinder kriegen gar net mit, dass Läden zu haben..sind wie sowieso selten- mal ein Beispiel.
LG Steffi