Da ich immer wieder gefragt werde, weil ich drei Kinder trotz und mit Typ 1 Diabetes (Beitrag über meine Schwangerschaften) habe, sind hier meine Erfahrungen über Ernährung mit Schwangerschaftsdiabetes / Diabetes in der Schwangerschaft. Für mich war es bei den Schwangerschaften eigentlich das anstrengendste und entbehrungsreichste. Zu den diversen Dingen, die man als Schwangere sowieso nicht essen sollte (eine gute Liste gibt es bei rund-ums-baby.de, externer Link, keine Werbung, sondern die Liste, die auch meine Ärztin immer verteilt hat), wovon mir einiges wie roher Fisch oder rohes Fleisch ohnehin nicht schwer fielen, kamen viele diabetesbedingte Einschränkungen, dazu kam dann die Ernährung mit Diabetes in der Schwangerschaft.
Anders als Gestationsdiabetikerinnen sind die Bedingungen bei mir verschärft gewesen, als Typ 1 Diabetikerin habe ich kein eigenes Insulin. Ich lebe mit einer Medtronic Minimed 640G Insulinpumpe, die Basalversorgung (Grundbedarf) ist einprogrammiert, das Insulin zum Essen muss ich manuell abgeben. Eine Gestationsdiabetikerin hat, einfach gesagt, eine Resistenz. Sie produziert Insulin, aber nicht genug für den gestiegenen Bedarf, aber eine Grundversorgung des Körpers ist gewährleistet. Mein Vorteil ist eben nur, dass ich immer mit Diabetes lebe, es also auch schwanger für mich nie komplett neu war, sondern ich im Einschätzen von Essen, Insulingabe etc. Erfahrung habe. Es ist seit vielen Jahren mein Alltag. So musste ich nur dazu lernen, wie es mit Ernährung bei Schwangerschaft und Diabetes anders ist. Ich bin Laie, dies ist kein medizinischer Rat, sondern meine individuelle Erfahrung. Jegliche Behandlung muss mit dem eigenen Diabetologen abgesprochen werden!
Blutzuckerzielwerte in der Schwangerschaft werden individuell festgelegt
Zunächst werden bei jeder Schwangeren die individuellen Blutzuckerzielwerte festgelegt. Diese liegen meistens nüchtern bei <90mg/dl und eine Stunde nach dem Essen (postprandial) bei <140mg/dl. Das kann aber individuell und je nach Anamnese auch variieren, falls man bereits Folgen des Diabetes am Baby erkennen kann, liegt der Zielwert auch teilweise bei <120mg/dl. Man misst Zuhause mit einem Handmessgerät. Diese Geräte sind für den Hausgebrauch (und daher für den OGTT ungeeignet, sie sind nicht zur Diagnostik) und haben eine Messabweichung von bis zu 10%. Daher, wenn man 100mg/dl misst, könnte der Wert genauso 92mg/dl sein oder auch 105mg/dl. Selten ergeben zwei Messungen direkt nacheinander den selben Wert. Das gilt für Gestationsdiabetes und vorbestehendem Diabetes.
Allgemein gilt bei Diabetesernährung in der Schwangerschaft alles, was allgemein für gesunde Ernährung gesunder Menschen gilt. Nicht viel Zucker, möglichst „clean“ essen und gesunde Kohlenhydrate sowie viel Gemüse, genug Eiweiß etc..
Welche Lebensmittel sind mit Diabetes in der Schwangerschaft verboten?
In den meisten Fällen (* bei allem, was ich angebe, sind individuelle Abweichungen möglich, bitte besprecht immer alles mit Eurem Praxisteam) sind einige Lebensmittel ausser bei Unterzuckerung (die ohne Insulingabe sehr selten vorkommt) ziemlich tabu. Generell macht oft die Menge das Gift und schon Kleinigkeiten verändern einiges.
Sehr kritisch:
- Saft/Cola (Getränke mit 8g/Kohlenhydrate auf 100ml oder mehr) pur
- große Mengen Obst pur auf einmal, besonders Bananen und Weintrauben
- Gummibärchen und co
- weißes Toastbrot, Weißmehlbrötchen
- größere Mengen Zucker
- Marmelade, Honig etc.
- trockener Kuchen, Kekse etc.
Dies kann bei Euch anders sein, aber falls der Wert nicht gut ist, erst mal dort ansetzen. Bei mir kamen individuell noch einige Dinge hinzu, absolut gar nicht ging bei mir Müsli und Haferflocken und ich reagierte immer sofort auf Kartoffeln, in egal welcher Zubereitungsart. Daher war meine Ernährung mit Diabetes in der Schwangerschaft vielleicht anders als es nun bei Euch ist. Ich konnte immer gut Nudeln oder Reis essen, wieder andere Schwangere können aber genau diese Sachen nicht essen.
Ernährungstagebuch führen und Essen abwiegen mit Diabetes
Es ist Arbeit und es nervt natürlich, aber das wirklich Sinnvollste ist, sein Essen zunächst abzuwiegen und ein pingeliges Ernährungstagebuch zusätzlich oder zusammen mit dem Blutzuckertagebuch zu führen. Es ist auch normal, dass man auf ein Essen unterschiedlich reagiert, da in der Schwangerschaft viele Hormone miteinander Wechselwirkungen haben. Auch ist es normal, dass sich die Reaktion und der Insulinbedarf verändern.
Wieviel sollte man mit Schwangerschaftsdiabetes essen
Zunächst: auf keinen Fall hungern! Falls Ihr nicht satt werdet, besprecht bitte mit Eurem Diabetologen eine Veränderung der Ernährung und sagt deutlich, wenn Ihr dauernd Hunger habt oder abnehmt.
Meistens wird empfohlen, 12-14 KE/BE pro Tag zu essen, aber auch dies kann individuell variieren, wie eben alles. Das sind dann 120-140g Kohlenhydrate, also Obst, Nudeln, Brot etc.. Diese teilt man unterschiedlich auf. Ich habe schwanger immer Morgens deutlich empfindlicher auf Kohlenhydrate reagiert als Nachmittags oder Abends. Daher habe ich Morgens Kohlenhydrate ziemlich gemieden. Andere können problemlos Vollkornbrot mit Käse oder Wurst essen. Mein Frühstück war entweder Quark oder Rührei.
Was darf man mit Schwangerschaftsdiabetes essen
Gemüse, Fleisch, Tofu und weiteres Eiweiß darf man auch mit Schwangerschaftsdiabetes im Rahmen der normalen Höchstmengen und Empfehlungen bis man satt ist essen. Obst darf man selbstverständlich ebenfalls essen. Ich habe immer am besten Erdbeeren, Himbeeren und Äpfel vertragen, diese haben meinen Blutzucker wenig erhöht. Kritischer sind Bananen, Weintrauben und Melone. Ein kleiner Trick ist es, diese Kohlenhydrate beispielsweise mit Quark oder Joghurt auszubremsen, also die Portion Obst in eine große Portion Quark schneiden (natürlich ohne extra Zucker). Im Sommer habe ich mir mit Quark und Sahne und püriertem Obst auch gerne Eis gemacht (einfach einige Stunden in den Eisschrank stellen).
Man sollte immer die Vollkornprodukte bevorzugen, also Vollkornnudeln, Naturreis und Vollkornbrot. Achtung, oft ist Brot nur gefärbt, daher beim Bäcker fragen oder die Packung lesen, außerdem ist manchmal Brot deutlich Zucker zugesetzt. Man lernt ohnehin Zutaten- und Nährwertlisten lesen. Eine Scheibe Vollkornbrot mit Käse geht deutlich langsamer ins Blut als die selbe Menge Kohlenhydrate in Form einer Scheibe Weißbrot mit Erdbeermarmelade.
Fett bremst den Zucker
Das soll keine Empfehlung sein, unbegrenzt fettig zu essen. Grundsätzlich verlangsamt aber Fett die Aufnahme des Zuckers ins Blut. Eine Nudelsauce nur aus Tomatenmark oder passierten Tomaten geht schneller ins Blut als beispielsweise eine Bolognese oder eine Käsesauce. Eine Kugel Milcheis mit Sahne geht meistens langsamer ins Blut als ein Sorbet. Daher ist ein Brot mit Käse oder Wurst meistens besser für den Blutzucker als nur mit fettarmem Frischkäse oder gar Nutella. Meine persönliche Alternative zu Nutella (auch ohne Schwangerschaft) ist Samba Dark, da sind viele Nüsse drin.
Wenn man knabbern will, ist eine dunkle Nussschokolade meistens besser für den Blutzucker als Gummibärchen und co.. Kuchen sind oft weniger trockene Kuchen mit Quark oder viel Sahne langsamer im Blut.
Hilfe, meine Blutzuckerwerte sind schlecht!
Auch, wenn man sich größte Mühe gibt, kann einmal etwas schief laufen, man verschätzt sich oder man isst auswärts oder man hat halt einfach mal nicht aufgepasst. Dann erst mal tief durchatmen. Es bringt keinem was, sich wegen eines schlechten Werts fertig zu machen, daher, einfach daraus lernen. Bei häufiger vorkommenden schlechten Werten kontaktiert aber bitte Euren Diabetologen und macht einen Termin aus. Eventuell muss die Insulinmenge neu angepasst werden oder Ihr braucht Insulin. Außerdem sind, wie schon geschrieben, viele Sachen sehr individuell. Bei manchen Frauen mit Gestationsdiabetes reicht es, Süßigkeiten weg zu lassen, andere wiederum müssen mit allem aufpassen und bei wieder anderen reicht gesunde Ernährung und auf Mengen achten. Es ist aber nicht Eure Schuld, wenn Ihr zu denen gehört, wo Ernährung bei Schwangerschaftsdiabetes nicht ausreicht, sondern Ihr Insulin braucht. Es ist eine hormonelle Erkrankung, man kann nur sein bestes geben und aus Fehlern lernen. Wie resistent man ist, kann man nur bedingt beeinflussen.
Allgemeine Infos zu Gestationsdiabetes und sollte man den OGTT (Blutzuckerscreening) machen?
Bitte macht den OGTT oder zumindest das einfache Screening. Es ist falsch, dass Gestationsdiabetes nur „dicke und faule“ Schwangere trifft. Im Gegenteil, es trifft genauso Frauen, die schlank sind und sich gesund ernähren. Genauso ist es falsch, dass man es am Baby sieht und wenn das „normal“ sei, hätte man keinen Diabetes. Damit man es am Baby sieht, muss der Blutzucker erst über längere Zeit richtig schlecht sein. Gestationsdiabetes ist natürlich eine Komplikation, die niemand haben möchte und bestimmt gibt es auch mal übertriebene Reaktionen, aber Gestationsdiabetes ist sehr gut behandelbar und Ihr habt es mit in der Hand, dass Euer Baby einen gesunden Start ins Leben hat! Sucht Euch eine Praxis mit Erfahrung und geht immer zu den Terminen, wenn Ihr Euch an die Ernährung haltet und diszipliniert seid, geht höchstwahrscheinlich alles gut und folgenlos aus. Mal ein schlechter Wert kommt auch bei richtiger Ernährung bei Gestationsdiabetes vor, bitte das auch in Relation sehen, nicht ignorieren, aber sich auch nicht fertig machen.
Bitte macht möglichst den richtigen OGTT und achtet auf die korrekte Durchführung: Ihr müsst nüchtern sein, dürft Euch während des Tests nicht groß bewegen und das Blut muss venös sein. Werte aus dem Handmessgerät sind nicht zur Diagnostik. Ich empfehle den Test beim Diabetologen, da dieser ihn richtig macht. Das Glucosescreening ist leider weniger aussagekräftig als der richtige Test.
Insulin spritzen in der Schwangerschaft
Viele haben große Angst vor Insulinspritzen. Inzwischen sind es keine Spritzen mehr, sondern ein Insulinpen und es tut wirklich kaum weh, ich habe immer einen Katheter im Bauch und einen Sensor. Ob bei Euch Insulin nötig ist, bestimmt Euer Arzt in Absprache mit Euch. Insulin ist nichts schlimmes und nicht plazentagängig. Schlechte Blutzuckerwerte bekommt das Baby dennoch ab. Daher ist das Ziel eine gute Einstellung und manche erreichen sie ohne Insulin nur durch angepasste Ernährung in der Schwangerschaft mit Diabetes, andere nicht. Das ist hormonell bedingt und liegt ganz in Eurer Hand. Wichtig ist nur, dass man in den Zielwerten bleibt. Die Folgen von unbehandeltem oder ignoriertem Diabetes sind sehr unschön, wer ärztlich behandelt wird und auf sich aufpasst, wird das aber wahrscheinlich nicht erleben müssen.
Was kann man in der Schwangerschaft mit Diabetes denn so kohlenhydratfrei essen oder als Snack nehmen
- Tomate-Mozzarella
- Rohkost mit Quarkdipp
- Oliven
- Rührei (mit Tomaten, Feta, Kräutern)
- Nüsse wie Walnüsse oder Cashews oder Haselnüsse
- Mini-Würstchen
- Spargel mit Schinken
- Salat mit Gemüse und Käse
- Käse
Sind Beispiele die beinahe kohlenhydratfrei sind, die man also auch gut essen kann, wenn der Tagesbedarf an Kohlenhydraten gedeckt ist oder man eben nicht Insulin spritzen will, die bei mir immer gut gingen.
Habt Ihr noch Tipps oder Fragen? Habe ich etwas vergessen? Es ist nun einige Jahre her, mein Jüngster ist 2015 geboren.
Bitte besprecht alles mit Eurem Diabetologen, bei Fragen und Sorgen ist er der Ansprechpartner. Ich schildere nur meine eigenen Erfahrungen als Diabetikerin in der Schwangerschaft. Es ist keine allgemeine Empfehlung oder als Ratschlag zu betrachten. Jegliche Veränderungen Eurer Behandlung besprecht Ihr bitte mit Eurem Arzt oder der Diabetesberaterin.
Toller, informativer Post! Ich würde gern ergänzen, dass ich immer zu dem großen oGTT raten würde, also nüchtern messen lassen, den Saft trinken und messen, warten und messen. Es passiert unglaublich oft, dass mit dem kleinen Test Schwangerschaftsdiabetes übersehen wird bzw. sind die Ergebnisse oft wertlos weil uneindeutig.
Da hast Du völlig Recht, das füge ich noch hinzu!
sehr informativ
Danke! Das hoffe ich. Mein Gedanke war nur, ob etwas veraltet ist oder ich etwas wichtiges vergessen habe?
Hat dies auf HerrnMuchseineFrau rebloggt und kommentierte:
Ich habe in beiden Schwangerschaften auf eigene Kosten den oGTT gemacht, beide Male ohne Befund. Ich halte diesen Test dennoch für den wichtigsten in der ganzen Schwangerschaft und sinnvoll investiertes Geld. Hier erfährt man viel Wissenswertes zu Diabetes in und mit Schwangerschaft!
Toll, dass du von deinen Erfahrungen mit den drei Schwangerschaften berichtest. Ich ziehe zu meinem Mann nach Innsbruck. Ich habe auch Diabetes und wir planen ein Baby. Dort hat man mir schon einen Diabetologen vermittelt. Ich möchte so wenig Risiko wie möglich eingehen.