Hier im Blog ist es ziemlich still. Das liegt an vielen Faktoren. Denn mein Workload ist ziemlich hoch, aber das macht es eben auch spannend. Ich habe meine Arbeitszeit Anfang 2023 auf 35 Stunden erhöht, es war finanziell nötig, aber ich habe sowieso nie nur 30 Stunden pro Woche gearbeitet, da so viel zu tun ist und ich Spaß daran habe. Ich habe das Privileg der Vereinbarkeit. Mein Job ist zeitlich relativ flexibel einteilbar, so funktioniert das. Ohne meinen Arbeitgeber und die Jobsituation wäre das nämlich absolut nicht machbar. In meinem Arbeitsvertrag stehen 50% Präsenz im Büro. Praktisch bin ich meistens prozentual mehr dort. Denn Zuhause kann ich nicht arbeiten, wenn der Mann da ist.
Vereinbarkeit und Workload
Meine Stelle ist eigentlich als Vollzeit ausgeschrieben gewesen und eigentlich wäre das nötig. Aber wie soll das mit 3 Kindern funktionieren? Vereinbarkeit bedeutet eben nicht unbedingt Vollzeit zu arbeiten und auch meine 35 Stunden pro Woche (die eher 38 sind) sind für mich nur realisierbar, weil ich einen Arbeitgeber habe, der das ermöglicht. Mein CEO ist selbst Vater und das nimmt er ernst. Als ich zu ihm meinte, ich würde meine 50% Bürozeit schaffen, ausser, die Kinder seien krank, war seine Reaktion, mich verblüfft anzugucken. „Natürlich arbeitest Du von Zuhause, wenn die Kinder krank sind. Das zählt da nicht rein“. Genauso darf ich früh anfangen. Mache ich Homeoffice, fange ich meistens 7:30 an. Im Büro im Normalfall um 8:30. Denn es ist so viel zu tun, anders wäre es nicht zu schaffen.
Harte Taktung und Organisation
Meine Kollegin (juhu, seit Mai habe ich tolle Verstärkung) ist immer fasziniert, wieviel ich parallel mache und wieviel Backup-Pläne ich immer habe. Allerdings meint sie auch, anders gehe es nicht. Genau, liebe Mitmenschen, ich habe auch keine „Lust“, Morgens vor 7 die Spülmaschine auszuräumen und vor 7:30 alles aufgeräumt, Brotdosen gemacht und das Bad geputzt zu haben. Aber wann soll ich es sonst machen? An Bürotagen bin ich vor 15 Uhr Zuhause und arbeite dann von Zuhause noch einmal 1-2 Stunden. Dabei mache ich natürlich keinen Haushalt. Also muss es vorher erledigt sein. Ich muss gucken, wie ich plane. Allerdings bin ich auch in weiterer Hinsicht privilegiert. Besonders im Vergleich zu der Situation in NRW (Kita ab 2? Nur mit Arbeitsvertrag vielleicht. Betreuungsplatz an der Schule? Nein, nur mit Vollzeitvertrag, dann Job erst suchen geht nicht) ist Berlin top. Es ist keine Frage, OB man einen Hortplatz bekommt. Bonus: der Kleine geht liebend gern in den Hort und kommt täglich saudreckig und glücklich nach Hause und ist viel draussen. Wieder wie im KiGa ein wandelnder Sandkasten. Außerdem habe ich ein wunderbares Netzwerk, die einspringen, wenn ich fest hänge.
An manchen Tagen ist der Mann hier und ich bleibe an den Tagen dann sehr lange im Büro. Events sind langfristig geplant und ich weiß, wann ich arbeite.
Geldfrust – Gender-Pay-Gap & Steuerklassen
Was mich aber richtig ärgert, ist, die Tatsache, dass laut einer Studie nur 10% aller Frauen zwischen 30 und 50 2000€ Netto bekommen. Ich gehöre auch nicht dazu. Allerdings liegt das bei mir nicht mal wirklich am Gehalt und Teilzeit. Da der Mann viel mehr verdient als ich, habe ich die tolle Steuerklasse V. Er hat Steuerklasse III. Hätte ich Steuerklasse I und würde aus der Kirche austreten, würde ich aber zu den 10% gehören, auch mit Teilzeit. Das betrifft einen Großteil der verheirateten Mütter. Die meisten können aufgrund von Umständen wie fehlender (kostenloser und qualitativ guter) Kinderbetreuung sowieso nicht Vollzeit arbeiten. Aufgrund der Steuerklasse rechnet sich eine Stundenerhöhung oft auch kaum. Ich finde unsere Steuermodelle absolut überholt, diese sind aus der Zeit, als es einen Hauptverdiener (absichtlich nicht gegendert) gab. Generell sollten ELTERN steuerlich deutlich bevorzugt werden und nicht das Konzept Ehe. Denn unbezahlte Care Arbeit kommt immer noch dazu. Wenig Gehalt und wenige Stunden führen dann in der Konsequenz potentiell zu Altersarmut.
Dazu kommt eben auch der Faktor, dass Männer mehr Geld für dieselbe Arbeit bekommen. Männer und Frauen werden nicht gleich bezahlt. Das ist nicht nur für mich Lebensrealität. Generell scheint die Kompetenz von Männern ohnehin öfter mal überschätzt zu werden. Es ist auch in meinem Umfeld Thema. Als inkompetenter Mann kommt man oft weiter, jedenfalls ist das ein öfter bestätigter subjektiver Eindruck. Aber Arbeit muss auch so bezahlt werden, dass man davon das Leben für sich und seine Kinder finanzieren kann. Den Shitstorm haben sicher alle mitbekommen.
Fachkräftemangel: Vereinbarkeit schaffen
Der Fachkräftemangel in Deutschland ist ein großes Thema. Aber genau da sehe ich den Ansatzpunkt. Schafft man Vereinbarkeit, zuverlässige Betreuung und dass man bitte auch mal flexible Arbeitszeitmodelle findet und nicht nur Vollzeit mit 100% in Präsenz anbietet, kann man Eltern als Arbeitskräfte gewinnen. Es gibt so viele hochqualifizierte und extrem motivierte Eltern, die gerne arbeiten würden, aber mit den bestehenden Bedingungen nicht arbeiten können. Wie soll eine alleinerziehende Mutter 40 Stunden die Woche 9-5 arbeiten? Oder der alleinerziehende Vater. Besonders Alleinerziehende sind oft von Armut betroffen. Ohne Betreuungsplätze und die Anerkennung, dass Care Work ARBEIT ist und wieviele Stunden Eltern sich unbezahlt zusätzlich zu ihrer Erwerbstätigkeit (gern!) um ihre Kinder kümmern, wird es nicht weiter gehen. Politisch müssen die Bedingungen geschaffen werden, dass Eltern arbeiten können.
Ich bin gerne im Büro. Aber ich brauche auch die Möglichkeit und bekomme sie, meine Arbeit an mein Leben anzupassen. Für Work-Life-Balance. Nächsten Mittwoch hat mein Mittlerer keinen Unterricht, da die Feedbackgespräche stattfinden. Der Mittlere und ich werden also 9:20 in seiner Schule sein zum Termin. Ich arbeite also definitiv nicht um 8:30. Danach kommt er mit mir ins Büro. In meinem Job ist das möglich. Wir haben Arbeitszeitkonten, Gleitzeit und können Remote arbeiten. Nur so funktioniert es und da bin ich dankbar für. Ich muss zum Betreuungsschluss des Kleinen Zuhause sein und das geht. Weil mein Arbeitgeber Vereinbarkeit bedenkt, muss ich mich nicht zerreissen. Ich muss „nur“ gut planen und habe immer Plan B und Plan C. Mein Arbeitgeber bietet mir Flexibilität und ich zeige mich umgekehrt flexibel.
Work-Life-Balance und Vereinbarkeit
Aber zum Leben gehört mehr als Care Work und Erwerbstätigkeit. Es muss alles irgendwie vereint werden, damit man nicht im Burn-Out landet. Ich bin auch ein Mensch mit Bedürfnissen und einem Leben über Job und Kinder hinaus und brauche Vereinbarkeit. Ich bin immer noch ich. Für Manche macht mich das zu einer schlechten Mutter. Ich mache auch Dinge nur für mich, wie Freunde treffen oder Tanzen gehen. Andere Menschen brauchen Zeit für Ihren Sport oder um Theater zu Spielen. Meiner Meinung nach kann man nur im Job erfolgreich und gut sein, wenn auch das drumherum stimmt. Ich möchte privat den Kopf bitte frei von Arbeit haben. Wenn ich im Büro bin, möchte ich aber wissen, dass meine Kinder gut aufgehoben in ihrer Betreuung sind. Diese diversen Möglichkeiten muss man Menschen bieten, als Arbeitgeber und als Staat. Hätte ich mehr Zeit, würde ich wieder Politik machen. Aber so geht es vielen Eltern. Neben Job und Familie und dem Leben bleibt zu wenig Zeit und zu wenig Energie.
Ich höre überall Eltern, die die Vereinbarkeit brauchen. Eltern müssten laut werden, aber es fehlt Zeit und Kraft. Es war auch das Thema der Blogfamilia dieses Jahr. Aktuell ist die Betreuungssituation ohnehin katastrophal. Meiner Ansicht nach liegt es am kaputt Sparen des Systems, es müsste in Bildung und Betreuung massiv investiert werden. Denn in unseren Kindern liegt die Zukunft und für die Gegenwart braucht die Gesellschaft auch die Eltern und Kinder brauchen Chancen und Ihre Eltern sowieso.
Und manchmal will ich auch einfach nur einen Abend Freiheit und nicht denken oder verantwortlich sein.
Was denkt Ihr dazu?
Ich denke dazu nur „schwierig“ 😀 Und es gibt nicht DIE eine Lösung. Manche haben auch einfach nicht die Wahl, andere haben eine Wahl und das ist dann schon eine Luxussituation. Mein Mann und ich befinden sich genau in einer solchen und sind uns dessen auch bewusst. Beide Akademiker, mit nur einem Kind (plus pflegebedürftige Oma), zwei tolle Arbeitgeber. Wir arbeiten beide 35 Stunden mit 3 Tagen Home Office / Woche, das sind dann die kurzen Arbeitstage bzw. die „flexiblen“ Arbeitstage. Der andere hat an diesen Tagen Bürotag mit langen Arbeitstagen und „Carearbeitsfrei“, heißt also auch, kein Einkaufen, kein Kochen, kein Elterntaxi. Volle Konzentration aufs Arbeiten. Dazu kommt, dass jeder pro Woche 1 festen Abend und einen Vormittag am Wochenende zur freien Verfügung hat. Bei dieser Konstellation sind wir nach einigen Jahren angekommen und das hat durchaus Vorteile für uns alle. Nachteil ist halt, dass man viel bereden / organisieren / aufschreiben muss, eine unplanbare Situation (Krankheit, anstrengendes Projekt mit vielen Überstunden, privates Projekt wie zB Renoviereung, Ferien ohne Betreuung usw) bekommen wir dank eines guten Netzwerkes auch hin, bei zwei gleichzeitig wird es schon seeeehr anstrengend.
Und oftmals kommt halt irgendwas zu kurz, wir versuchen aber, v.a. viel Zeit für unser Kind zu haben, eine Betreuung von 7-17 Uhr käme für uns überhaupt nicht in Frage. Und so schließt sich der Kreis der Luxussituation, wir können zum Glück Prioritäten setzen und die im Rahmen gewisser Grenzen auch teilweise ändern. Traurig, dass das eine Luxussituation ist und nicht „Normalität“, dazu müssten sich viele Bedingungen ändern wie eben Gehälter, Betreuung, Arbeitszeitmodelle, …
Es sind ja verschiedene Aspekte, die du angesprochen hast:
Steuermodell – da geb ich dir völlig recht, es gehört reformiert und vereinfacht. Ob jetzt Steuerklasse IV/IV oder III/V macht für die Einkommenssteuer am Ende des Jahres jedenfalls keinen Unterschied.
Bezahlung von Frauen – da kenne ich mich zu wenig mit aus.
Frauen als wertvolle Arbeitskräfte erkennen / Kinderbretreuung sicherstellen – Ich persönliche glaube, dass es viel mit dem traditionellen Rollenmodell zu tun hat. In der ehemaligen DDR war es ganz normal, dass Frauen beruftätig waren und die Kinderbetreuung war sicher gestellt. Und so ist das auch noch heute – der Ausbau der Kinderbetreuung ist in den neuen Bundesländern deutlich weiter als in den alten. Modelle wie: 9-12 und 14-16 Uhr als Betreuungszeit gibt es dort nicht.
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf finde ich auch total wichtig! Homeoffice und flexible Arbeitszeiten können da auf jeden Fall zu beitragen. Das hängt sicher auch von der Branche und dem Arbeitgeber ab. Ihc hoffe allerdings sehr, dass in der Arbeitswelt – gerade auch angesichts des Fachkräftemangels – ein umdenken geschieht.
Ich bin in der priveligierten Situation, dass ich sowohl im homeoffice als auch flexible Arbeitszeiten habe und das schätze ich sehr. Wenn ich die Möglichkeit habe, dann fange ich z.B. lieber gerne früher an und bin am nachmittag lieber eher zu Hause. Daher fange ich meistens zwischen 6 und 7 Uhr an zu arbeiten.