Nun also der 3. Teil zu meiner Reihe über Leben mit Typ 1 Diabetes. Im ersten Teil habe ich über meinen Alltag mit Insulinpumpe erzählt und im zweiten Teil, wie es überhaupt war mit der Diagnose mit grade 20 Jahren. Denn in dem Alter beginnt erst das Leben als Erwachsene. Mit meinem damaligen Freund war ich zu dem Zeitpunkt schon 5 Jahre zusammen und eigentlich war immer klar, dass wir irgendwann Kinder haben wollen (haben wir auch, nur eben nicht miteinander). Sollte nun alles anders sein und sich die Familienplanung generell erledigt haben? Das ist nun kein Teaser, Ihr wisst alle, dass ich Mama von 3 Jungs bin. Also, ja, man kann mit Diabetes Kinder kriegen. Damit beruhigten mich meine Ärzte direkt, aber das Thema „Kinder“ war sowieso mit 20 noch abstrakt und weit weg. Nach der Trennung und zu Anfang meiner Beziehung mit meinem Mann fragte ihn auch direkt seine Mutter, ob ich mit Diabetes überhaupt Kinder haben könne.
Mein Diabetologe hat mir mal erzählt, wie zu seiner Anfangszeit damals eine schwangere Typ 1erin, die dann ein lebendiges, gesundes Kind bekam, eine Sensation war. Heute ist es eigentlich die Norm. Anders als die Gestationsdiabetikerinnen, für die alles neu und ungewohnt ist und wo sich die große Frage stellt, ob Insulin oder nicht und das Leben Kopf steht, ist alles doch normal? Ist es das wirklich? Leider nein. Zunächst sollte der Langzeitzuckwert schon zu Beginn einer geplanten Schwangerschaft gut sein. Aber auch nicht alle Diabetikerinnen planen eine Schwangerschaft oder es dauert so lange wie bei mir und man hat keine Motivation, Jahre pingeligst und gestresst zu leben. Es ist auch sinnvoll, sich vorher mit dem Thema auseinander zu setzen.
In den schlauen Büchern stehen dann Dinge, wie, dass schwangere Diabetikerinnen ihre Schwangerschaft oft auch ohne Test bemerken, weil ihre Werte so niedrig seien. Mein Körper hat genau das Gegenteil gemacht, daher kam ich erst nicht auf die Idee, es könnte geklappt haben. Mein Blutzucker ist förmlich explodiert. Nach dem positiven Test und Termin bei meiner hervorragenden Gynäkologin ging also der zweite Weg zum Diabetologen. Der wollte mir erst den Kopf abreissen, wie man mit solchen Werten schwanger werden könne, wie er aber in meiner Akte sofort sah, waren meine Werte 4 Wochen vorher gut. Mit seiner Hilfe und riesigen Mengen Insulin war das Problem aber schnell im Griff.
Das war auch so ein Satz in einem der Bücher „als Diabetikerin ist Schwangerschaft ein Vollzeitjob“. Das klingt absurd, ist aber so. Erstens ist man alle 2 Wochen beim Diabetologen und bei der Frauenärztin, dazu kommen Hebammentermine. Man wird direkt als „hochrisikoschwanger“ deklariert, in Internetforen ein beliebter Stempel, für mich unerfindlich, was daran toll sein soll. Man hat berechtigterweise mehr Grund zur Sorge und man kann Dinge wie Geburtshaus oder Hebammengeburt abhaken, inzwischen muss man in ein Perinatalzentrum Stufe 1 oder 2 gehen. Ich hatte immerhin noch die Wahl.
Fehlgeburtsrisiken und Fehlbildungsgefahr ist größer, dazu kommen mögliche Folgen wie ein übergewichtiges, makrosomes Baby oder eine Mangelversorgung, weil die Plazenta schneller verkalken kann. Man sollte also erstens eng mit den Ärzten zusammen arbeiten und zweitens alles dafür tun, dass der Blutzucker gut ist, also in der Norm, die auch eine gesunde Schwangere hat. Das ist für eine Gestationsdiabetikerin mit noch eigenem Insulin schon schwer genug, mit Typ 1 ohne eigenes Insulin bedeutet das, wenn man sich beim Essen verschätzt, wieviele Kohlenhydrate man zu sich genommen hat, blöd. Da reicht es, sich um 10 Nudeln zu verschätzen oder dass der Kellner statt Cola Light normale Cola bringt.
Mein Leben bestand also wissend 36 Wochen aus Verzicht und Disziplin. Etwa 12-16x am Tag in den Finger pieksen und den Blutzucker messen, immer noch das, was ich am Diabetes hasse, bis ich einen Sensor bekommen habe. Der Sensor macht das Leben so viel leichter und sicherer. Ausserdem kann man abgesehen von den für Schwangere sowieso verbotenen Lebensmittel individuell noch weitere streichen. Marmelade aufs Brot? Keine Chance. Morgens war ich immer schon empfindlich, was Kohlenhydrate betrifft. Schwanger ging kein Müsli, eigentlich nichts. Rührei ging. Also eine komplette Schwangerschaft Morgens verzichten. In den ersten beiden Schwangerschaften konnte ich nichts mit Kartoffeln essen. Keine Insulinmenge hielt den Blutzucker auf. Also keine Pommes, keine Chips, kein Gratin, kein Kartoffelsalat. Letzteres war im Sommer ärgerlich. Aber ich hatte noch Glück, manche können keine Nudeln oder Reis essen und ich als Pasta-Junkie würde depressiv. Pizza konnte ich auch wunderbar essen und Obst in Maßen oder mit Quark.
Der Vorteil ist, dass man wenig(er) zunimmt. Man wird engmaschig überwacht und muss nach Plan leben. Unschwanger käme ich nie auf die Idee, mein Essen abzuwiegen. Schwanger wurde das mein Alltag. Man hat also eine Menge zu tun. Termine und eben nicht spontan essen. Im Laufe der Schwangerschaft dauerte es auch, bis das Insulin wirkte. Also überlegt man vorher, wann und was man isst, spritzt das Insulin und isst dann nach 20-30 Minuten, dann muss man aber auch wirklich essen, damit man keine Unterzuckerung bekommt.
Es klingt kompliziert, ist aber machbar. Vor allem ist es die Mühe wert, man tut es für sich und für sein Baby. Es nervt, aber es gibt schlimmere Dinge, immerhin habe ich das unendliche Glück, (bisher) gesunde und lebende Kinder haben zu dürfen. Ich darf Mama sein und das Leben mit diesen kleinen, lauten und wunderbaren Wesen verbringen. Ausserdem blieben mir weitere Komplikationen erspart, daher bin ich sehr dankbar.
Habt Ihr Komplikationen in Eurer Schwangerschaft erlebt? Oder plant Ihr ein Baby als Diabetikerin? Oder habt noch Fragen? Schreibt mir gern in den Kommentaren!
Einen tollen Artikel über Gestationsdiabetes findet Ihr übrigens bei Jessica in ihrem Blog „Leben mit Twins“.
Vielen Dank, für diesen ehrlichen Artikel!