Wie ich leider neulich berichten musste, haben wir unser Baby als Missed Abort Ende der 11. Woche verloren. „Wir“ bedeutet nicht nur den Hausherrn und mich, sondern eben auch unsere drei Kinder. Denn die drei haben sich auch sehr auf ihr Geschwisterkind gefreut, der Mittlere fragte schon lange, ob wir nicht noch ein Baby bekommen könnten, und dann hat sich wirklich jemand eingeschlichen. Es war eben ungeplant, aber nie ungewollt, sonst hätten wir ernsthaft verhütet. Da es in der 9. Woche alles super aussah, haben wir es da den Kindern gesagt und sie haben sich so sehr gefreut und konnten den November kaum erwarten. Mein Bauchgefühl war aber schon seit einigen Wochen, also seit der Lungenentzündung nicht wirklich gut.
Mit Kindern über Schwangerschaft reden
Daher hatte ich mit dem Großen (8) schon auch öfter das Thema, dass Schwangerschaften nicht immer gut ausgehen und dass eben auch die Entwicklung stoppen kann oder das Herz eines Babys stehen bleiben. Allen Kindern hatten wir auch erklärt, dass das Baby unser Geheimnis sei bis nach der 12. Woche, sie durften es einem Freund erzählen, eben weil Schwangerschaften nicht sicher sind und wir erst schauen müssten, wie unser Baby wächst. Daher warten auch viele Eltern bis nach der 12. Woche, bevor sie es den großen Geschwistern erzählen. Wir haben es früh gesagt, da meine Arzttermine und mein Diabetes und die Schwangerschaft generell eben auch Veränderungen bedeutet haben. Generell sind wir eher offen im Umgang. So ging es auch öfter um den Entwicklungszustand, wie groß unser Baby ist und selbst der Kleinste studierte die „Unser Baby“ Bücher von Wieso Weshalb Warum Junior und der Maus.
Und dann kam die Lungenentzündung
Eine kleine Notlüge haben wir aber Sonntags erzählt. Ich hatte eine Blutung und auf Anraten meiner Hebamme und Freundinnen sind wir ins Krankenhaus gefahren. In keiner Schwangerschaft war ich je ausser der Reihe im Krankenhaus. Aber ich habe auch nie rotes Blut gesehen. Den Kindern haben wir gesagt, ich müsse wegen der Lungenentzündung noch kurz zum Arzt, den Kleinsten haben wir mitgenommen, für die Großen war unsere Nachbarin da. Ich hatte es geahnt, aber die Realität war trotzdem ein Schock. Das Herz unseres Babys war stehen geblieben. Alles war anders. Alle Träume vom Leben mit vier Kindern vorbei. Und beinahe noch schlimmer: es den glücklichen großen Geschwistern sagen.
Die Fehlgeburt den Kindern beibringen
Wir kamen verstört nach Hause. Der Kleine hat überhaupt nicht verstanden, was passiert ist. Mein OP Termin am nächsten Tag stand, die Oma war informiert. Als wir Zuhause ankamen, schliefen die Großen natürlich. Erst wollten wir sie wecken, haben es aber dann gelassen. Also kam am nächsten Morgen der furchtbare Moment. Ich habe den Großen geweckt und ihm gesagt, dass ich eine traurige Nachricht habe. Unser Baby lebe leider nicht mehr, das Herz sei stehen geblieben und ich müsse ins Krankenhaus. Seine erste Reaktion war „schade“ und er wurde ganz still. Dann kamen natürlich die Fragen, warum so etwas passiere und warum man das Baby nicht wiederbeleben könne und dann sei es eben einfach kleiner. Es war einfach nur schlimm. Wir haben ihm frei gestellt, ob er in die Schule geht oder Zuhause bleibt, er wollte Normalität und Schule.
Der Mittlere reagierte erst auf die selbe Nachricht mit „dann bekommen wir eben ein neues Baby“ und war einfach hilflos. Auch von ihm kam die Frage „warum“. Anders als sein großer Bruder fragte er mit seinen 5 Jahren eben noch nicht, was nun genau passiere.
Die Sternenkinder Ambulanz
Im Krankenhaus und danach hatten wir wunderbare Begleitung durch die Sternenkinder Ambulanz Wuppertal. Im Gespräch spielten natürlich auch die Geschwister eine Rolle, denn auch sie haben jemanden verloren. Uns wurde geraten, auf keinen Fall Begriffe wie „eingeschlafen“ zu benutzen, um keine Angst bei den Kindern vor dem Schlafen zu schüren. Für unsere Kinder war es auch wichtig, mich im Krankenhaus nach der OP zu sehen, dass es mir körperlich gut geht. Im Normalfall ist aber eine Kürettage ambulant. Es war nur wegen meines Diabetes stationär.
Uns wurde wider Erwarten ein Abschied von unserem Baby ermöglicht, das ist Ende 11. Woche nicht die Norm, besonders, da sie selten einen so perfekten kleinen Körper bekommen. Die beiden Kleinen waren da mit im Krankenhaus, um mich abzuholen. Unser Mittlerer wollte weder in den Kindergarten noch seine Freunde sehen. Daher haben die beiden Kleinen ihre Schwester auch ansehen dürfen, der Kleine hat es nicht wirklich wahr genommen, der Mittlere hat vorsichtig geschaut.
Da es noch recht früh war und es nach dem US eigentlich hiess, dass unser Baby noch früher gestorben ist, hatten wir den Kindern erklärt, dass es erst ein „Gummibärchen“ war, also nur mit Ansätzen von Beinchen und Ärmchen und nicht fertig. Allerdings war der US ungenau bzw. die Oberärztin hatte nur mit Doppler nach dem Herzschlag gesucht. Unser Baby war also doch viel weiter, der Mittlere war entzückt, dass es schon winzige Fingerchen hatte. Es war hart, aber es hat die Kinder wider Erwarten nicht verstört. Die Erklärung mit dem Gummibärchen fand die Mitarbeiterin der Sternenkinder sinnvoll, da auch Kinder verstehen, dass man so nicht fertig ist und so eben auch nicht leben kann. Dennoch sollte man natürlich immer überlegen, was man den eigenen Kindern zutrauen oder zutrauen möchte. Unser Großer war in der Schule und hat sich später die Fotos ansehen wollen. Er ist aber traurig, dass er sie nicht in echt gesehen hat.
Bei späten Todgeburten können die Geschwister wohl auch immer einbezogen werden, also dürfen das Baby anfassen und Abschied nehmen.
Die Mitarbeiterin der Sternenkinder Ambulanz hat unsere Kinder alle immer mit bedacht. Sie hat mir zum Aussuchen Anhänger gebracht, man konnte zwischen Sternen, Wolken und Schutzengeln aussuchen. Wer gläubig ist, kann eben auch die Vorstellung eines Schutzengels vermitteln. Ich habe Schutzengel genommen, es waren vier gleiche, einmal rosa und drei mal lila, der rosafarbene Schutzengel ist mit im Grab, die lilafarbenen haben die Brüder bekommen.
Unterschiedliche Reaktionen
Unser Großer reagierte wie erwartet mit vielen Fragen, warum so etwas passiert, wie sie gestorben ist, wie das Baby nun aus mir raus kommt und wo sie nun ist. Oft reagiert er bei solchen Situationen damit, dass er es in sich rein frisst. Daher waren wir beinahe erleichtert, als er am Abend, an dem ich wieder Zuhause war, doch geweint hat. Er wolle das alles nicht. So konnten wir einfach da sein, auch, wenn wir nicht wirklich trösten konnten. Der Kleine versteht es wenig, als seine Brüder Bilder und Briefe malten und überlegten, ob sie etwas mit ins Grab geben, erklärte er, er schenke dem Baby etwas, wenn es nach Hause käme. Auf die Antwort, dass unser Baby nicht nach Hause kommen wird, kam eine lange Stille.
Der Mittlere fragt wenig, er findet es aber „doof“, dass unser Baby nun tot ist. Er fragte auch später, warum Babys im Bauch sterben können.
Die Kinder haben ihre Schutzengel, außerdem haben wir ihnen Tonies für die Toniebox gekauft, ein kleiner Trost und die Tonies sind rosa und heissen nach ihrer Schwester. Von einer wunderbaren Freundin haben wir den Nachtlicht Stern bekommen und von meiner besten Freundin ein Kinderbuch zum Thema „Vergebliches Warten – Familie Vogel und der Abschied für imm“ von Verena Herleth, in der Geschichte stirbt das geliebte Geschwisterchen noch im Ei. Unsere Kinder weigern sich aber bisher, das Buch auch nur anzusehen.
Wir sind wie geplant, das Wochenende nach Lille weg gefahren, das war einerseits hart und am ersten Abend ging es mir richtig schlecht. Aber den Kindern und uns als Familie tat es insgesamt gut. Wir waren weg von Zuhause, hatten Zeit zusammen und haben Schönes erlebt.
Kinder trauern anders
Während besonders bei uns die ersten Tage dauernd die Tränen kamen, waren die Kinder beinahe normal. Allerdings führten bei allen Kleinigkeiten im Alltag zu Tränen. Auch reagieren sie schneller wütend und aggressiv. Wir merken schon, dass das seelische Gleichgewicht grade gestört ist. Für sie ist die logische Lösung, ein neues Baby zu bekommen.
Sie sind aber genauso normal fröhlich und holen mich so auch aus meinem Loch. Wir haben immer etwas zu lachen. Bei ihnen wechselt es auch, sie können traurig sein und eine Minute später ist ihre Welt wieder völlig in Ordnung. Auch reden sie normaler über unser Baby und mit Leichtigkeit. Neulich hörte ich sie im Kinderzimmer spielen und irgendetwas war „so klein wie ein Baby, wie unser Baby“ – „nein, unser Baby war noch etwas größer!“. Der Nachtlicht Stern wird abwechselnd mit ins Bett genommen.
Die Kinder einbeziehen
Die Großen haben Bilder gemalt und der Große hat einen „Brief“ geschrieben. Auch haben wir ihnen frei gestellt, ob und was sie ihren Freunden erzählen. Allerdings dürfen sie keine Fotos unseres Babys zeigen.
Da sie auch bei ihrem kleinen Bruder den Namen mit ausgesucht haben (der Wunschname des Großen ist nun Rufname), durften sie auch dies mal entscheiden. Wir haben ihnen die freie Wahl gelassen und der Mittlere hat wirklich einen wunderschönen Namen ausgesucht und so heisst sie nun für uns. Sie haben wirklich überlegt, der Große war für einen unisex Namen, da wir das Geschlecht nicht sicher wissen, der Mittlere bestand auf einen klassischen Mädchennamen, da er weiß, dass es ein Mädchen ist.
Es ist „unser“ Baby, das wir verloren haben. Die Kinder trauern genauso um ihr ungeborenes Geschwisterkind.
Mit Kindern auf der Trauerfeier und Beerdigung
Von der Sternenkinder Ambulanz war immer offen, dass unsere Kinder mit zur Trauerfeier kommen können, mir war vorher auch genau der Ablauf erklärt worden, auch, dass am Ende Ballons für alle Babys steigen gelassen werden. Wir haben die Kinder gefragt, ob sie mit zur Trauerfeier und Beerdigung gehen möchten und auch, dass da viele weinende Menschen sein werden. Unser Baby wurde mit allen Sternenkindern Wuppertal aus dem Februar, März und April beerdigt. Sie wollten unbedingt mit, der Große durfte dafür eine Schulstunde eher nach Hause gehen, der Mittlere blieb vorher schon ganz Zuhause.
Die Trauerfeier war heftig, unsere eigene Trauer plus viele verzweifelte Eltern. Unsere Kinder waren bis auf zwei weitere Kinder die einzigen Kinder dort. Ein schön bemalter Sarg, viele Kerzen und Blumen. Unser Großer hat ein selbst gebasteltes Teelicht mitgenommen. Wir hatten die Kinder fest im Arm, der Große hat auch sehr geweint, der Mittlere war erst mal irritiert, warum wir denn weinen, klammerte sich aber fest an mich, in Ordnung war es für ihn auch nicht und irgendwann kullerten auch seine Tränen.
Dann ging es ans Grab, auch da waren die Kinder teilweise eher fasziniert bis abgelenkt, Erde und Blumen ins Grab zu werfen. Besonders der Kleine fand das gradezu lustig. Dann wurden die Ballons steigen gelassen, auch das war ein fröhlicher Moment für die Kinder, den vielen bunten Heliumballons nach zu schauen. Allerdings wollte der Große nicht wirklich gehen, er ging immer wieder zum Grab zurück. Ihm fiel es sehr schwer, sie dort zu lassen.
Gibt es einen richtigen Weg
Es gibt keinen richtigen Weg, jede Familie ist anders, jedes Kind ist anders. Was sich für uns in der Situation richtig angefühlt hat, mag für jemand anderen ganz falsch sein. Trauer ist unterschiedlich und es gibt sicher Eltern, die ganz anders handeln. Daher ist dies einfach die Beschreibung, wie wir mit der Schwangerschaft, Fehlgeburt und Trauer umgehen. Ob es der richtige Weg war, wird sich zeigen, bisher fühlt es sich passend an, so hart es für uns alle ist. Nicht jeder kann sein Baby noch ansehen und nicht immer fühlt es sich angemessen an, auch die Kinder teilhaben zu lassen. In unserer Situation haben wir das Gefühl, dass der Abschied und sie zu sehen, gut für uns war. Sie sah so friedlich aus.
Falls Ihr in dieser Situation seid, holt Euch Hilfe, fast überall gibt es Selbsthilfegruppen oder eine Sternenkinder Initiative. Deren Arbeit ist für uns unheimlich hilfreich und sie begleiten die ganze Familie. Ihr seid nicht allein und es gibt kein richtig oder falsch in dieser Situation.
Wow, ich bin sehr beeindruckt wie ihr diese Situation alle gemeinsam gemeistert habt. Ich fühle mit euch und drück euch ganz fest. Behaltet eure Tochter und Schwester in guter Erinnerung und bleibt weiterhin so stark! Alles Gute!
Naja, noch stecken wir mitten drin. Ob wir es auch nur halbwegs richtig gemacht haben, werden wir merken. Aber wir haben wirklich gute Unterstützung und können uns auch jederzeit noch an die Sternenkinder Ambulanz wenden. Dieser Verein ist das beste, was uns in dem Horror passieren konnte. Danke Dir!
Erst mal vielen Dank für das Teilen eurer Situation und deiner Gedanken. Ich weiß, wie schwer ein solcher Verlust ist und wünsche euch ganz viel Kraft und Energie, ihn zu verarbeiten.
Ich finde es toll, dass ihr eure Kinder so einbezogen habt und glaube, dass das ein guter Weg war. Bei uns war der Mini noch zu klein, um es ihm wirklich zu erklären. Wir haben es zwar versucht, aber er war damals erst 10 Monate alt. Alles alles Liebe für euren weiteren Weg als Familie. Jasmin
Danke Dir. Ich denke auch, mit 10 Monaten versteht ein Kind das noch weniger als unser 2,5-Jähriger, dessen Verständnis auch begrenzt ist. Er hatte grade erst verstanden, dass wir ein Baby bekommen. Als wir auf dem Weg zum Friedhof waren (gleiche Autobahnausfahrt wie das Krankenhaus) fragte er, ob wir nun im Krankenhaus unser Baby abholen.
Hut ab vor eurer Kraft!
In meinem Unfeld haben in den letzten Monaten zwei Frauen ihr Baby verloren. Bei allen Versuchen es erscheint mir unmöglich es nachzuempfinden was ihr empfindet.
Ich wünsche euch viel Kraft für den weiteren gemeinsamen Weg!
Ich glaube, es muss auch keiner wirklich nachempfinden. Aber allein der Versuch ist doch schon toll. Auch ein „ich weiß nicht, was ich sagen soll“ ist für mich gut. Was man nicht hören will ist „es war besser so“ oder „alles hat seinen Grund“ oder „Du warst doch nur x Wochen schwanger“. Ansonsten reicht es aus, wenn Freunde einfach da sind.
Euer Verlust tut mir furchtbar leid! Ich finde es aber schön, dass ihr mit euren Kindern so offen und ehrlich umgeht.
Liebe Grüße, Simone