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Diabetes – die Diagnose

Meine Diagnose des Typ1 Diabetes als Teenager – Leben mit Diabetes Mellitus

ich wurde nun schon mehrfach gefragt und da ich mich dieser Tage mal wieder über einen Artikel aufgeregt habe, wo Diabetes als absolut lebensverändernd und schlimm dargestellt wurde, hier nun mein „Anfang“.

Ich war grade im 2. Semester an der Uni, als mein Durst immer stärker wurde, ich fing an, immer mehr zu trinken, oft auch Fanta und Cola (bis heute trinke ich ungern Wasser pur), es wurde immer mehr, bis zu 3-4 Liter am Tag. Entsprechend musste ich auch dauernd auf die Toilette, auch nachts oder in Seminaren, obwohl ich vorher gegangen war, für mich schien es logisch zu sein, wer viel trinkt, muss eben öfter. Außerdem hat es mich gefreut, dass ich als notorische Wenigtrinkerin nun viel trank. Zusätzlich habe ich in der Zeit abgenommen, ich wog vorher immer 54kg auf 1,73m, inzwischen war ich unter 50kg (meine Mitschülerinnen wollten mich ohnehin in ein „Internat für Dicke“ schicken – als abschreckendes Beispiel), obwohl ich normal bis viel aß. Ich wohnte noch Zuhause, dort gab es immer frisches, gesundes Essen, keine Fertigprodukte etc.. Meine Mutter fing an mich zu „nerven“, ich hätte vielleicht Diabetes. Ich fand es absurd. Entweder man hat das als Baby schon oder wenn man alt und dick sei. Ich hatte keine Ahnung.

Die Diabetes Diagnose

Auf der Hochzeit des Bruders meines damaligen Freundes im Sommer waren wir mittags zwischen Standesamt und Kirche bei Ihnen Zuhause, sein Vater ist Arzt, da ich meine Mutter endlich beruhigen wollte, ließ ich meinen Blutzucker messen. 629mg/dl. Er dachte, das Gerät spinne. Er maß bei sich, normaler Wert. Er maß wieder bei mir. Wieder über 600mg/dl (als Gesunde wird Euer Blutzucker vermutlich zwischen 70-100mg/dl liegen – mein Mann hat absolut immer 87mg/dl). Er meinte, ich solle meinem Hausarzt anrufen und müsse dort hin. Ich rief also meinen Hausarzt an, die Arzthelferin meinte, ich könne ja im 2 Wochen kommen, nachdem ich ihr die Lage geschildert habe. Es war Freitag Mittag, kurz vor Ende der offiziellen Sprechzeit. Der Vater meines Freunds kam dazu, schüttelte mit dem Kopf und nahm das Telefon, erklärte der Helferin, er sei Dr. A. und wolle sofort Dr. B. sprechen. Natürlich wurde er sofort durchgestellt und ich durfte sofort in die Praxis, dort wurde der Blutzucker im Labor gemessen. Die Helferin piekste mit einer großen Nadel MITTEN in meinen Finger. AUA! Und fragte mich, ob ich noch mal schreien wolle. Vom Arzt gabs im Prinzip nur noch die Einweisung ins Krankenhaus. Allerdings durfte ich noch auf die Hochzeit, bei der Ärztequote sei ich vermutlich bestens versorgt.

Am nächsten morgen sind wir dann ins KH, ich durfte aber noch mal nach Hause, weil am Wochenende sowieso nichts passiere (die akute Gefahr war mir nicht klar, dem Diensthabenden offenbar auch nicht, er hat wohl richtig Ärger bekommen). Im KH ging es sehr schnell, da der Vater meines Freundes dort Arzt war, mit mir ins Labor ging, das eigentlich zu war etc.., ich fand es sehr faszinierend diesen unglaublich lieben und sanften Menschen als absolute Autorität zu erleben.
Meine Symptome waren übrigens ab Diagnose wie weg geblasen, was eigentlich nicht sein konnte. Mein Blutzucker war unverändert hoch (über 300mg/dl nüchtern). Ich habe nicht mehr viel getrunken, musste nicht mehr dauernd auf Toilette.

Stationär ins Krankenhaus

Montag morgen gings dann ins KH zurück. Stationär. Damals wusste ich nicht, dass Diabetologen ambulant einstellen. Ich kam als „Familienmitglied“ des Arztes in ein Zwei-Bett-Zimmer und Oberarztbehandlung statt Assistenzärzte. Der Vater meines Freundes kam auch täglich mehrfach und ging immer mit meinem behandelnden Arzt essen. Zunächst wurde mir ein Perfusor angehängt, damit der Blutzucker fällt, das ist eine Art riesige Pumpe. Mir wurde gesagt, damit könne ich nicht raus, ich müsse im/am Zimmer und der Steckdose bleiben (was nicht stimmt, später sahen wir Leute damit im Park). Ich wurde auf 58kg gewogen, also deutlich untergewichtig. Allerdings war für die Krankenhausküche klar, Diabetiker sind dick und gehören auf Diät. Ab da hungerte ich nämlich. Eine Scheibe Brot morgens und abends, mal ein Joghurt, mittags 2 Kartoffeln mit Gemüse und ungenießbarer Suppe und sowas. Mein Blutzucker sank. Mit dem Personal dort war ich weniger glücklich, einzig die Nachtschwester war toll und lieb. Ich durfte das Bad nie abschließen, ich könne ja umfallen. Nur marschierten so Krankenpfleger rein, wenn ich duschen war oder auf Toilette. Ich war 19 und fand das sehr unangenehm. Für Essen muss man Insulin essensabhängig schätzen. Wenn man also zum Beispiel einen Joghurt isst, schaut man auf die Kohlenhydrate, wenn da 10g drin sind, entspricht das 1BE, diese multipliziert man mit seinem individuellen Insulinfaktor. Also beispielsweise 2, ich müsste für 1BE also 2 IE (Insulineinheiten)spritzen. Die Schwestern gaben es oft falsch ein, so dass ich dann darauf hinweisen musste, dass das nicht passen kann. Als der Perfusor ab kam, spritzten sie mir das Insulin mit einem Insulinpen (sieht aus wie ein Kugelschreiber, vorne eine kurze Nadeln, hinten stellt man die Einheiten ein und drückt dann wie die Mine im Kulli ab). Allerdings blieb der Pen im Schwesternzimmer und sie vergaßen es oft und ich musste danach fragen. Ich hatte „Schulungen“, allerdings mit Typ 2 Diabetikern und nicht auf meinen Typ 1 Diabetes zutreffend. Es nervte mich nur, so abhängig sein, Krankenhaus widerspricht meinem Rhythmus, meine Zimmergenossin erzählte mir von jedem Menschen, den sie je gesehen hatte, der “an Diabetes“ gestorben ist. Zum Glück bekam ich sehr viel Besuch, mein Freund war Zivi, ein Schulfreund Sanitäter dort im KH, der „Schwiegervater“ Arzt und natürlich meine Mutter. Da ich es lernen wollte, sollte ich dann doch mal selbst spritzen. Ich nahm den Pen, fragte, ob damit alles okay sei, stellte die Insulinmenge ein und haute ihn in meinen Bauch. Mein Freund meinte, es standen alle fassungslos um mich rum. Offenbar trauen sich die Meisten erst mal nicht. Für mich war klar: ich will da raus! Daher, es klingt komisch, aber ich hatte da keinerlei Hemmungen.

Eines Tages kam der Oberarzt rein und sah mein „Essen“. Seine Reaktion „igitt“, was das denn sei. Abgesehen davon wurde ständig kritisiert, dass ich „immer noch nicht“ zunehme. Ich habe gehungert? Jedenfalls sagte der Oberarzt, ab jetzt Normalkost und Morgens und Abends ans Buffet. Der Pfleger kam Mittags dann mit meinem normalen Essen und wollte es wieder mitnehmen, das sei nicht für Diabetiker. Ich hielt das Tablett fest und wir zerrten ums Tablett, bis er dann wirklich den Oberarzt fragen ging und der bestätigte, dass ich normal essen solle. Die Schwestern machten auch riesiges Theater, als ich dann Abends zum Buffet ging (und endlich mal 2 Brötchen aß und satt war).

Sonntags durfte ich Dank Oberarzt tagsüber nach Hause, die Schwestern liessen mich unterschreiben, dass ich auf eigenes Risiko gehe und erklärten, ich sei schuld, wenn ich nachher im Rettungswagen wieder käme. Der Tag war toll. Ich hab in meinem Bett geschlafen und Ruhe genossen.

Dann konnte ich plötzlich nichts mehr sehen, alles verschwommen. Der vorherige Augenarzt hatte gemeint, alles prima. Nun hiess es „diabetische Retinopathie“ (völliger Blödsinn), meine Mutter ist mit mir zum Augenarzt. Eigentlich nahte meine Entlassung, aber nicht sehend wollten sie mich nicht gehen lassen. Aber sie hatten nicht mit meiner Mutter gerechnet. Mit Rezept des Augenarztes gings zum Familien-Optiker, Abends hatte ich meine Brille und konnte wieder sehen (inzwischen weiß ich, dass es normal ist, weil sich durch die Senkung des Blutzuckers der Augeninnendruck verändert hatte,der glich sich langsam wieder an).

 

Viel Unterstützung bei der Erstdiagnose des Diabetes

Mein Freund und seine Familie waren eine so tolle Unterstützung, weil sie sehr pragmatisch und rational waren. Ich bin bei sowas einfach selbst pragmatisch, während meine Mutter immer emotional ist. Für mich war das alles einfach meine neue Realität. Ich kann es doch ohnehin nicht ändern? Also wollte ich möglichst schnell lernen, wie ich gut klar komme. Den Kirchentag direkt nach Entlassung haben wir abgesagt, den Urlaub 6 Wochen später nicht.

Meine Mutter fragte mich oft, ob ich nicht daran zurückdenke, wie es war, gesund zu sein. Nein, niemals. Was soll mir das bringen? Ich bin froh, dass ich eine Krankheit habe, mit der es sich im Alltag relativ gut und mit minimalen Einschränkungen leben lässt. Für mich war es schnell normal, 3x am Tag Basalinsulin zu spritzen und zu jeder Mahlzeit die BEs zu schätzen und dafür zu spritzen. Wirklich schlimm fand ich nur die Tatsache, dass ich nun schnell zunahm und zum ersten Mal in meinem Leben nicht mehr superschlank war. Ich wiege heute 12kg mehr als vor dem Diabetes und ja, es stört mich heute noch, weil ich gern esse.

In den Schulungen merkte ich auch schnell, dass es alles nicht so ist, wie man befürchtet hatte. Diabetiker essen ganz normal. Es gelten die gleichen Vorgaben für gesunde Ernährung. Meinem Blutzucker ist es aber relativ egal, ob ich ein Vollkornbrot mit Butter esse oder etwas Nussschokolade. Eingeschränkt bin ich bei sowas wie Cola oder Fanta oder Gummibärchen zum Spaß, sowas wie Fruchtgummis und Saft gibt es nur bei Hypos. Daher ist es als Diabetiker mehr als blöd, wenn man Cola light bestellt und zuckrige Cola bekommt. Nein, es ist nicht Diätwahn, sondern macht bei mir den Unterschied zwischen einem super Blutzucker und einem katastrophalen. Daher trinke ich ungern aus Zapfanlagen.

Zuhause musste dann meine Mutter meinen Blutzucker Nachts messen, was sonst die Schwestern gemacht hatten. Das artete aber nur in Stress aus, weil sie zu aufgeregt und hektisch war und ich hellwach (was ich vermeiden sollte). Nachts war ich oft zu niedrig und Morgens zu hoch, die Gründe, die später zu meiner Insulinpumpe führten. Mein Alltag war sonst normal, aber ich konnte eben nicht mehr nur mit Schlüssel in der Tasche aus dem Haus, sondern mit Messgerät, Pen und was gegen Hypos. Essen war auch eine Übungssache, BEs zu schätzen.

Heute weiß ich vieles besser, ich hätte direkt zum Diabetologen mit Erfahrung zu Typ 1 Diabetes gehen sollen. Manche Infos Anfangs waren auch einfach falsch. Ein Ratschlag des Oberarztes habe ich nie vergessen und er hat sich immer wieder bestätigt: ich würde grade bei medizinischem Personal auf viele Probleme stoßen, es sei so, dass ich mich selbst mit meiner Krankheit viel besser auskennen würde als sie und darauf würden viele aggressiv reagieren. Ich solle mir nichts sagen lassen und Diabetesthemen nur mit meinem Arzt besprechen.

Nun habe ich bald 18 Jahre Typ 1 Diabetes, trage eine Insulinpumpe und habe 3 gesund geborene Kinder (meine Schwangerschaften mit Diabetes). Die Medizin macht immer weiter wahnsinnige Fortschritte und ich hoffe, ich bleibe gesund genug, um diese genießen zu können. Denn mit Diabetes ist man nicht krank, sondern eingeschränkt gesund.

14 Gedanken zu „Diabetes – die Diagnose“

  1. Interessant! Tatsächlich ist es doch aber so, dass man viel Durst hat, weil man viel (Zucker über den) Urin ausscheidet, oder? Das andere scheint einem nur logischer. Was die Diabeteskompetenz mancher Mediziner angeht, kann ich nur bestätigen. Mein Papa hat Typ 2, eine Cousine und eine Bekannte Typ 1. Als ich FSJ im Kinderheim machte, fiel mir ein Kind auf, dessen Symptome ich eindeutig fand; er hatte sich ü.a. nachts mehrfach in die Küche geschlichen und Mineralwasser „gestohlen“. Ich ging mit ihm zum Arzt und bat um Blutzuckermessung. Dass das Gerät immer wieder „HI“ anzeigte, wurde völlig falsch gedeutet. Man vermutete sogar einen zu tiefen Insulinwert. Mein Hinweis, dass das wohl für HIgh steht und somit für das Gerät im nichtmessbar hohen Bereich liegt, wurde ebenso ignoriert, wie meine Anmerkung, dass der Junge eben vor meinen Augen eine Orange gegessen hatte. Wir wurden wieder heimgeschickt. Der Junge taumelte, fiel und schlief im Heim angekommen ein. Nachts kam es der Erzieherin eigenartig vor und sie versuchte ihn zu wecken, was aber nicht mehr gelang. Er war uns Koma gefallen und kam mit einem Wert von über 33 (die Geräte des Notarztes zeigten ebenfalls nichts mehr an!) in die Klinik. Ich habe der Ärztin dann nochmal einen Besuch abgestattet und sie upgedatet. Der Junge hat's zum Glück ohne gesundheitliche Folgen überstanden. Das war aber pures Glück.

  2. Extrem krasse Geschichte. Besonders ein Wort „HI“ (für ausserhalb des Messbereichs zu hoch) sollte medizinisches Personal erkennen. Am Atem etc. riecht man es ggf. auch. Sowas kann eben auch fatal ausgehen. Ja, der Blutzucker ist hoch, man hat Durst, weil der Körper das Blut verdünnen will und man geht viel auf Toilette, weil der Körper den Zucker ausscheiden will, wenn er über der Nierenschwelle (meistens so 160-180mg/dl) liegt. Im Osten rechnet man mit mmol. Wenn man wie ich zuckrig trinkt, erhöht man den Blutzucker weiter und ist im Teufelskreis drin. Diabetes mellitus bedeutet auch „zuckersüßer Durchfluss“.

  3. Gibt es eigentlich irgendwelche Empfehlungen Deine Kinder betreffend? Werden sie in Hinblick auf evtl. frühzeitige Diagnose beobachtet oder kontrolliert? Achtest Du da verstärkt auf mögliche Symptome?

    1. Nein, ich habe beide Kinderärzte gefragt, die meinten, ganz normale Ernährung und dass eine Einschränkung oder Veränderung des Lebensstils nur belastend sei und im Endeffekt ohnehin nichts bringe.
      Alle sind sich auch einig, dass ich als Typ1erin ohnehin nie die Symptome übersehen würde. Bisher sind alle gesund.

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