Zugegeben, es ist ein bißchen vereinfacht und paraphrasiert. Aber mir passiert das, was so vielen Eltern bzw. in diesem Fall hauptsächlich Müttern widerfährt. Sowohl im wahren Leben als auch auf Social Media werde ich be- und verurteilt dafür, wie ich als Mutter bin. Ich bin eine „schlechte Mutter“, die „egoistisch“ ist und „ihre Kinder nicht liebt“. Vorweg, letzteres stimmt nicht. Ich liebe meine Kinder, auch, wenn es Momente gibt, in denen ich sie inklusive ihres Vaters auf den Mond schießen könnte.
Schlechte Mutter, gute Mutter
Gesellschaftlich erscheint mir an Mütter ab Schwangerschaft eine immense Erwartungshaltung gerichtet zu werden. Die Schwangere soll strahlen, jede Sekunde die Schwangerschaft genießen und bitte nicht zunehmen und auf keinen Fall jammern. Schwanger war ich nie gern, ich freute mich aber jeweils auf das Baby. Dann ist die Erwartung, dass die Geburt vaginal funktioniert, ein Kaiserschnitt wird oft als Versagen gewertet. Ich möchte niemandem die eigene Wahrnehmung absprechen, auch, wenn ich es traurig finde, dass die Leistung nicht gewürdigt wird. Aber andere Menschen haben da nicht zu urteilen. In der Hinsicht habe ich mit drei Kaiserschnitten, wovon der letzte ein primärer, also eine geplante Sectio war, sowieso versagt. Dass ich gewollt nie gestillt habe, hat meinen Weg also schon deutlich gemacht: ich bin eine egoistische, schlechte Mutter.
Völlige Selbstaufgabe, um keine schlechte Mutter zu sein
Mütter, die direkt nach dem gesetzlichen Mutterschutz wieder zur Arbeit gehen und die Elternzeit dem Vater überlassen oder das Kind früh in liebevolle Betreuung geben, werden immer verurteilt. Aber auch sonst wird erwartet, dass die Mama Nachts klaglos aufsteht und generell ihre eigenen Bedürfnisse immer hinten an stellt. Natürlich hatten unsere Babys immer Priorität und absichtlich Schreien lassen haben wir kein Kind. Ab einem zweiten Kind ist es aber zwangsläufig so, dass man Bedürfnisse abwägen muss und so musste auch ein Baby mal kurz warten.
Ich bin immer noch Ich und daher war ich ab Geburt geschminkt, mir war es wichtig, mich Morgens zu Duschen und ich habe auch gezielt nach den Schwangerschaften wieder abgenommen. Kommentare waren gern, wie unwichtig und oberflächlich das sei. Dass ich mich auch mit mir wohlfühlen möchte, ist offenbar auch Anzeichen einer schlechten Mutter? Damit meine ich übrigens, dass jede*r es so handhaben darf und soll, wie es für die Familie passt. Ungeschminkt in Jogginghose leben ist genauso legitim. Allerdings bekommen diese Frauen dann Kommentare, wie sie sich so „gehen lassen“ könnten.
Gemeinsam Eltern sein – aber die Mutter wird beurteilt
Wie ich es erlebe, gehört dazu, ein „guter Vater“ zu sein, offenbar nur, existent und anwesend zu sein. Dass Väter beruflich weg sind und in vielen Fällen die direkte Care Arbeit bei der Mutter hängen bleibt, wird als normal angesehen. Ich bin immer wieder irritiert, für welche Selbstverständlichkeiten Bizzidad von anderen Leuten gradezu gefeiert wird. Nicht, dass er sich feiert. Aber mir wird dann mitgeteilt, was für ein toller Vater er sei, weil er sich grundsätzlich um seine Kinder kümmert. Er ist mal ein paar Tage mit ihnen alleine, sie verhungern nicht, ihnen geht es gut. Aber der Mental Load und die Care Arbeit liegen zu 90% bei mir. Wie kann es sein, dass der Anspruch so unterschiedlich ist, was „gute“ Eltern ausmacht?
Von Müttern wird erwartet, dass sie sich 24/7 um die Kinder kümmern, ungeachtet von Krankheit, Arbeit und vor allem Gleichberechtigung. Die Messlatte für Väter ist deutlich geringer.
Ich gebe mich nicht auf und das macht mich zu einer guten bzw. okayen Mutter
Generell mag ich die Formulierung von Nora Imlau, dass es gut ist, „okay“ zu sein. Ich halte mich nicht für die perfekte Mutter. Aber für eine gute Mutter. Unseren Kindern geht es gut. Sie sind umsorgt und geliebt und meistens glücklich. Frust erleben sie. Wichtig finde ich trotzdem auch, dass sie sehen, dass ich ein Mensch mit Bedürfnissen bin. Ich bin keine Androidin, die nur funktioniert. Natürlich verhalte ich mich auch mal falsch, bin unfair oder ruppig. Dann entschuldige ich mich bei ihnen.
Ich weigere mich aber, mich selbst und meine Bedürfnisse aufzugeben. Manchmal frage ich mich, ob das andere triggert. Denn grade von Müttern ernte ich dafür auch Aggression. Da kommt dann der Vorwurf, ich stellte meine Bedürfnisse über die der Kinder. Nein, ich wäge ab.
Bedürfnisse abwägen = schlechte Mutter
Wir sind 5 Personen mit ganz unterschiedlichen Bedürfnissen. Es können nicht immer alle Bedürfnisse sofort und voll erfüllt werden. Das ist ein ständiges Abwägen und sicher entscheiden wir da auch mal falsch. Aber für mich zählen auch meine Bedürfnisse. Ich brauche Auszeiten, einfach mal nur an mich denken. Denn ich will meinen Kindern auch nicht vorleben, dass man eigene Bedürfnisse, also sich, komplett aufgibt, wenn man Kinder hat.
Es geht eben auch darum, ein Vorbild zu sein, dass Mütter und generell Frauen Rechte haben und auf sich achten müssen. Die Kinder sehen ein Miteinander und gegenseitigen Respekt und dass man Bedürfnisse abwägt, wir alle miteinander, nicht gegeneinander.
Arbeitende Mütter #workingMom
Wie ich immer schreibe „arbeitet“ sowieso jede Mutter, Care Work ist nämlich auch Arbeit. Nur eben leider unbezahlte und gesellschaftlich gern ignorierte Arbeit. Nach Jahren des „Du arbeitest nicht“, was ohnehin nie stimmte, denn sowohl habe ich Kinder versorgt als auch bezahlt gearbeitet, arbeite ich nun angestellt. Mein Auftrag ist befristet, aber ich arbeite seit April noch 20 Stunden pro Woche zusätzlich. Dass ich größtenteils im Homeoffice bin, wird dann wieder als „nicht arbeiten“ interpretiert. Die zeitliche Flexibilität ist wirklich wunderbar. Aus der Sicht bin ich noch keine „schlechte Mutter“. Nun kommt aber bei uns der Faktor dazu, dass unsere Arbeitsplätze in Berlin sind. Also beide und unser familiärer Lebensmittelpunkt und die Schulen in NRW. Dass Bizzidad nach Berlin pendelt und dann einen Großteil die Woche abwesend ist und ich alleine mit den Kindern mit Job und Alltag, macht ihn nicht zu einem „schlechten Vater“.
Aber die Tatsache, dass ich etwa alle 2 Wochen beruflich in Berlin bin, da kinderlos unterwegs bin, wird gerne als egoistisch und nicht liebende Mutter interpretiert. Ich soll nach Meinung einiger Menschen eine schlechte Mutter sein, weil ich dasselbe, wenn auch in geringerem Umfang, mache, was der Vater der Kinder immer schon macht.
Mütter werden bewertet – Druck auf sich selbst
Offenbar ist man gesellschaftlich aus Sicht vieler Menschen sowieso immer eine schlechte Mutter. Sei es, weil die Mutter nicht erwerbstätig ist, ihr Kind „trotzdem“ in Betreuung gibt oder eben Teilzeit oder Vollzeit arbeitet. Ganz viele Menschen, die die familiäre Situation nicht mal kennen, haben ganz viel Meinung. Es wird geurteilt und gelästert.
Ich habe noch die Kraft Contra zu geben und generell lasse ich mir ungern was unterstellen. Aber so viele Mütter leiden darunter und machen sich selbst immensen Druck, weil sie doch diese unfaire Kritik annehmen. Es wäre wünschenswert, wenn Eltern einfach mal als Eltern gesehen würden, ohne unterschiedliche Erwartungen an „Mütter“ oder „Väter“, die ganz alten Rollenklischees entsprechen. Es wird mit zweierlei Maß gemessen.
Wir kennen uns nicht
Ich habe mal einen ganzen Beitrag darüber geschrieben, dass wir uns nicht kennen. Dabei teile ich Momentaufnahmen. Über fremde Eltern auf dem Spielplatz oder im Café weiß man noch weniger. So viel ist auch eine Frage des Kontexts, siehe Diskussion um Handynutzung auf dem Spielplatz oder der KiTa. Woher weiß ich, warum ein Mensch grade telefoniert? Muss ich das überhaupt wissen.
Natürlich erwische ich mich auch dabei, dass ich mir ein Bild mache und urteile. Aber ich versuche das zu reflektieren und mache niemanden auf Social Media von der Seite an oder lästere dann laut. Natürlich darf und sollte man nicht wegschauen, wenn es wirklich Missstände und Probleme gibt. Aber auch da ist Urteilen nicht der Weg, sondern lieber Nachfragen und ggf. Hilfe anbieten.
Die Sache mit sozialen Medien
Mein Eindruck ist aber teilweise auch, dass durch die Inszenierung einiger Influencerinnen auf sozialen Medien der Druck steigt. Da leben Mütter (bei Vätern sehe ich das weniger) die komplette Selbstaufgabe vor, denn das zeige ihre Liebe für das Kind. Da wird endlos über das schlechte Gewissen geschrieben, weil sie arbeiten oder mal einen Abend mit ihren Freund*Innen weggehen oder gar wegfahren. Es wird suggeriert, dass das das typische und somit normale Gefühl ist. Auch werden teilweise andere Mütter offen angegriffen. Im Hintergrund dann noch perfekt designte und aufgeräumte Häuser, eben perfekte Leben. Es entsteht oft das Bild, dass das „gute Mütter“ sind und dem Bild wollen viele entsprechen. Dass es nur Momentaufnahmen sind und nicht immer alles wirklich so ist, wie dargestellt, gerät in Vergessenheit.
Das schlechte Gewissen wird schnell getriggert, weil das eigene Leben anders aussieht. Es wird vorgelebt, dass gute Mütter eben ausschließlich für Familie und Kinder leben. Meine Familie ist mir sehr wichtig, aber sie sind nicht das einzige in meinem Leben.
Dann bin ich eben eine „schlechte Mutter“
Mein Fazit ist jedenfalls, wenn Menschen mich als „schlechte Mutter“ verurteilen, dass ich mir den Schuh nicht anziehe. Unverschämt finde ich es trotzdem. Ich weiß, dass es unseren Kindern gut geht, sie manchmal Dinge ätzend finden (Aufräumen! Das „falsche“ Essen! Duschen!) und sie eigentlich glücklich und wohlbehütet sind. Es ist immer jemand für sie da, ich, der Papa oder die Oma. Daher drehe ich dieses Urteil für mich um. Wenn Menschen meinen, ich sei keine gute Mutter, weil ich mich nicht aufgehe, spricht das eher für meinen Weg.
Seid Ihr da selbstsicher oder verletzt es Euch, wenn man Euch als „schlechte“ Mama bezeichnet?
Lass dir nichts einreden.
Ich lese schon länger bei dir und finde alles prima gelöst.
Ich bin dann auch eine schlechte Mutter.
2 Kaiserschnitte (eigentlich drei wegen Komplikationen). Einmal wegen BEL, einmal geplant wegen der Komplikationen bei Kind 1.
Kind 1 konnte nicht gestillt werden. Kind 2 hab ich dann auch nicht gestillt.
Nach der Elternzeit 30 Std gearbeitet, obwohl der Mann auch viel pendeln musste oder nicht greifbar. Aber es war später auch ein Haus abzuzahlen. Nun bin ich mit größeren Kindern mehr Zuhause (aus verschiedenen Gründen) und muss mich auch rechtfertigen, seufz.
Ich fühle mich manchmal als schlechtes Vorbild für die Kinder und als schlechte Arbeitnehmerin.
Irgendwie muss man es doch sich selbst recht machen können ohne Schuldgefühle oder Vorwürfe…
LG Tanja