Werbung ohne Auftrag Bei Twitter läuft eine erhitzte Diskussion. Julie von Puddingsklecks hat dazu heute schon einen tollen Beitrag „Mein Mann der Egoist“ geschrieben und auch mir stößt es sehr sauer auf. Ich mag überhaupt keine pauschalen und verurteilenden Aussagen, die die eigene, offenbar privilegierte Position ausser acht lässt.
So viele Paare, die ein Kind bekommen, können es sich nicht leisten, dass der Vater in Elternzeit geht. Krass, dass sie sich leisten können, dass der Vater auf eine gleichberechtigte Beziehung zum Kind verzichtet. Was so ein paar Euro wert sind, ist schon faszinierend.
dasnuf bei Twitter am 10. Oktober 2019
Manche folgende Konkretisierungen empfinden einige als Differenzierung, ich finde den ursprünglichen Tweet dennoch heftig und wertend. Ich bin auch etwas verblüfft, weil ich eigentlich Patricias Beiträge sehr schätze. (Edit: inzwischen gibt es dazu einen ausführlicheren Beitrag bei das nuf, den ich dennoch kritisch finde, weil aus meiner Sicht mit statistischen Durchschnittszahlen und reiner Theorie und nicht der Lebensrealität aller argumentiert wird. Sie betont, dass der erste Tweet sich anders lese als er gemeint sei, sie ihn aber nicht einfach löschen möchte, was ich auch verstehe).
Wer nimmt Elternzeit – Konsequenzen?
Generell finde ich natürlich, dass es möglich sein sollte, dass jeder Elternteil, der es möchte, Elternzeit nehmen kann. Dazu sollten noch mehr rechtliche Grundlagen geschaffen werden, allerdings wüsste ich nicht, wie die aussehen sollten. Elternzeit ist auch jetzt kein zulässiger Kündigungsgrund. Aber es gibt erstens viele Branchen mit befristeten Verträgen wie wir in der Fernsehbranche. Da wird ein Vertrag dann eben nicht verlängert. Oder bei der nächsten Runde von betriebsbedingten Kündigungen ist dann derjenige Kandidat. Oder es wird eine Beförderung nicht gegeben. Man kann auch jemanden intern versetzen und die Arbeit unschön machen.
Individuelle Wege
Familien sollten das Recht und die Möglichkeit haben, dass sie für sich individuell entscheiden, wie es für sie passt. Eine Freundin hat nur den Mutterschutz genutzt und keine Elternzeit, ihr Mann hat die komplette Elternzeit genommen. Auf „eine gleichberechtige Beziehung“ verzichten? Wurde ihr übrigens unverschämterweise auch unterstellt. Für diese Familie passte es so genau richtig. Sie verdiente mehr und liebte ihren Job, für ihn war es der Traum, Vollzeitpapa zu sein.
Für wieder andere Familien ist es die ideale Version, Elternzeit 50/50 aufzuteilen. Oft, wenn beide ähnlich viel verdienen und es in ihrem Beruf, beispielsweise als Lehrer, keine Nachteile gibt. Oder es bleibt die Mutter Zuhause, weil sie es möchte. Manche Väter können und wollen die Vätermonate nehmen.
Beziehung und Bindung wegen Elternzeit?
Dieser Punkt verärgert mich auch. Haben dann im Umkehrschluss Mütter, die sehr früh wieder Arbeiten gehen, keine oder wenig Beziehung zum Kind? Oder gilt das nur für Väter? Väter, die je nach Beruf Mittags oder Abends wieder Zuhause sind, sich die Nächte um die Ohren schlagen, das Kind kuscheln, tragen, lieben und umsorgen? Zählen Wochenenden nichts? Ist es kein Alltag mit Kind, wenn der Mann am Tag 5-6 Stunden mit dem Kind verbringt?
„Luxus“ vs. Existenz
„Ein paar Euro“?? Der aktuelle Höchstsatz für das Elterngeld liegt bei 1800€. Um dies zu erreichen, muss man schon relativ gut verdienen. Es ist bei den meisten Familien selbst dann deutlich unter dem sonstigen Einkommen und nicht nur „ein paar Euro“. Besonders, wenn man davon ausgeht, dass auch die Mutter nach der Geburt nicht mehr ihr vorheriges Einkommen hat.
Einige Kommentare schlugen vor, dass man doch einfach auf Luxus verzichten solle. Alkohol, Fleisch, Reisen und Essen gehen. Auch hier reden wir wieder von einer privilegierten Perspektive. Dass es je nach Wohnort und Lebenshaltungskosten nicht um Luxus geht, sondern um die Existenz, scheint keine Rolle zu spielen. Abgesehen davon könnte auch einer der Partner leider den Job verlieren (siehe oben).
So war es bei uns
Als der Große geboren wurde, hatte der Hausherr einen Monat vorher den Job gewechselt, da sein befristeter Vertrag nicht mehr verlängert wurde. Er war also in der Probezeit eines befristeten Jobs. Wie gut wäre angekommen, wenn er sich für 2 oder mehr Monate verabschiedet hätte? Nebenbei waren wir weder während der Schwangerschaft im Urlaub noch während der ersten fast 4 Lebensjahre des Großen. „Reisen“ hiess Freunde oder Familie besuchen und eine kurze Reise haben wir zur Hochzeit von Freunden nach Frankreich gemacht. Unsere Lebenshaltungskosten in Köln (67m2 Wohnung, kleines, gebrauchtes Auto) waren hoch.
Als der Mittlere geboren wurde, war der Hausherr entfristet. Wir haben hin und her gerechnet und er hat Teilzeit in Elternzeit gemacht, denn nur Elterngeld hätten wir uns nicht leisten können. In der Zeit gingen übrigens sowohl die Brille des Hausherrn (mit seiner Stärke ein teurer Spaß) als auch mein Laptop kaputt. Soviel zu „Ersparnissen“. Den ersten Urlaub haben wir rund um den 1. Geburtstag des Mittleren gemacht, nach dem Besuch bei Freunden waren wir in Holland am Meer. In einem feuchten, günstigen Ferienhaus. Aber es war schön, wir waren am Meer!
Zur Geburt des Kleinen war völlig klar, dass es erst mal weder beruflich geht (ich war nach 2 Wochen alleine mit den Kindern und der Mann auf Dienstreise) noch finanziell. Wir haben den laufenden Kredit für die Wohnung und eben die Lebenshaltungskosten für eine Familie mit drei Kindern.
Wahlfreiheit, Möglichkeiten und kein Zwang
Ich muss nicht unseren Weg anderen aufdrängen. Wir hatten und haben nie große Ersparnisse gehabt. Aber die Kinder haben einen Vater, zu dem sie eine enge Bindung haben, ob nun mit oder ohne Elternzeit. Der Papa ist Nachts aufgestanden, der Papa hat stundenlang rumgetragen, vorgelesen und spielt mit ihnen. Ich wuppe den Alltag, sozusagen als Familienmanagerin. Aber die Beziehung zum Papa ist eng, sie kuscheln mit Papa und das Babybay stand Nachts auf seiner Seite.
Müssen wir andere Verurteilen? Und selbst, wenn eine Familie nicht möchte, dass beide Elternzeit nehmen, steht es ihnen zu. Aber ich denke, in ganz vielen Fällen können sie es eben nicht. Denn ob einige Monate Elternzeit den Verlust der Existenz oder langfristige Folgen wert sind, bezweifle ich. Abgesehen davon ist auch keiner verpflichtet, einen finanziellen Strip vor anderen hinzulegen und zu berichten, wie es mit Ersparnissen, Schulden oder den laufenden Kosten aussieht. Man sieht immer nur einen kleinen Teil des Lebens der Anderen.
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Ein Gedanke zu „Vätermonate vs. Luxus?“
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