Ich arbeite gern und relativ viel, mehr als ursprünglich geplant. Bis Anfang 2022 hatte ich immer etwa 20 Stunden erwerbstätige Arbeit + Blogkooperationen. Da es sinnvoll war, dass mindestens einer von uns einen sozialversicherungspflichten Job sucht, habe ich mich ab März dann auf feste Stellen beworben. Eigentlich wollte ich nur 20-25 Stunden arbeiten, weil ich wusste, das läuft, darin haben wir Routine. Dazu brauchte ich die Möglichkeit, dass ich auch Homeoffice machen kann, weil sonst keine Vereinbarkeit möglich wäre. Bis August 2022 hatten wir noch die Situation, dass wir gependelt sind. Ich habe mich in NRW und Berlin beworben. In NRW hatte ich grandiose 0 Vorstellungsgespräche. In Berlin etliche. Auch recht kuriose Vorstellungen von Arbeitgebern, dazu nachher mehr. Work-Life Balance und Vereinbarkeit war definitiv oft nicht vorgesehen oder eine Phrase.
Die Jobsuche als Mutter
Interessant fand ich, dass oft die Tatsache, dass ich 3 Kinder habe, positiv an kam. Ohne Organisation und Plan A, B und C läuft dann nämlich nichts. (Ich habe übrigens immer noch für jeden Tag Alternativpläne im Kopf, wenn etwas nicht nach Plan läuft).
Im April hatte ich dann nach diversen Vorstellungsgesprächen 2 konkrete Jobangebote. Beide aber mit 30 Stunden, beides wäre eigentlich Vollzeit gewesen, aber man liess sich auf meinen Wunsch nach Teilzeit ein. Gehalt war ziemlich gleich, aber unterschiedliche Extras. Bei beiden Stellen war 50% Präsenz im Berliner Büro fest. Der andere Arbeitgeber hatte aber komplett fixe Arbeitszeiten mit vorgegebenen Pausen. Für mich fehlte die Vereinbarkeit mit der Familie. Wie sollte ich Kinder abholen? Ich nehme meinen Job ernst und halte Versprechen ein. Aber ich bin auch Mutter und verlässlich für meine Kinder.
Wer mir auf Social Media folgt oder mich im wahren Leben kennt, weiß, dass ich seit 1999/2000 etwa in meinem indischen Lieblingsrestaurant esse. Der große Bruder meines Ex-Freunds hat uns damals diesen Berliner Geheimtipp in Kreuzberg gezeigt. Wir sind seitdem Stammgäste. Wenn wir Essen gehen wollen, wollen unsere Kinder immer schon zu da hin. Denn es schmeckt und Kinder sind nicht nur geduldet, sondern erwünscht und fühlen sich richtig wohl. Als ich dann über Social Media ins Gespräch kam und es hieß, ich solle doch einfach mal meinen Lebenslauf schicken, klar! Ein Vorstellungsgespräch wurde coronabedingt verschoben, aber dem Bewerbungsgespräch folgte dann ein Angebot.
Ich bin Mutter und brauche Flexibilität
Als wir mit den Kindern sprachen, welche beiden Angebote ich habe und welches ich wähle, waren sie begeistert. Beide Arbeitgeber fanden sie grundsätzlich toll. Der Mittlere ist besonders stolz, wo ich arbeite.
Es ist ein Familienunternehmen, es arbeiten alle Familienmitglieder in unterschiedlichen Positionen. Familie ist der leitende Wert. Ich habe sehr viel Flexibilität, welche Zeiten ich genau arbeite, solange es abgesprochen ist und ich meine Arbeit erledige. Ich fange früher an als die meisten im Team, weil meine Kinder früh zur Schule gehen. So habe ich Nachmittags zeitlich mehr Luft oder eine längere Pause Mittags zum Kinder abholen und bekochen.
Ich kann Mittags Zuhause sein oder bei krankem Kind Homeoffice machen. Umgekehrt gebe ich mir Mühe, einzuspringen, wenn jemand im Team krank ist oder Urlaub hat. Mein ursprünglicher Arbeitsvertrag sah Montag bis Donnerstag vor. Ich denke immer, es ist eine gegenseitige Sache, ich engagiere mich und dafür bekomme auch ich Möglichkeiten, die ich brauche. In den meisten Wochen bin ich deutlich mehr als die verpflichtenden 50% im Office, wenn ich mal dann eine Woche weniger ins Büro gehen kann und Zuhause arbeite, ist es auch kein Problem. Alles natürlich nach Absprache.
Benefits auf dem Papier und „echte Benefits“
Es gibt in Stellenanzeigen so viele Begriffe, die leider sehr oft leere Versprechen oder Phrasen sind. Angebenes Homeoffice in der Anzeige ist dann „oh, frühestens nach 6 Monaten, woher wissen wir, dass die Person dann arbeitet?!“ (Fun fact: im Homeoffice fühle ich mich komisch, zur Kaffeemaschine zu gehen, im Office gehe ich ohne schlechtes Gewissen an die Bar, mir einen Kaffee holen). Was für ein Menschenbild. In meinem Job erlebe ich Vertrauen. Am 1. Tag gab es einen Schlüssel und vollständigen Zugang zum Server. Niemals würde ich in einen Ordner schauen, der mich nichts an geht.
Ich arbeite im Büro hinter dem Restaurant, ich esse jeden Tag Lieblingsessen. In einem Jobinterview wurde mir angekündigt, ich könne keine richtigen Mittagspausen machen, sie hätten doch Mikrowellen in den Küchen und jeder Kaffee hätte mich Geld gekostet.
Buzzwords in Stellenanzeigen und wirkliche Vorteile
Manche Unternehmen werben mit „flachen Hierarchien“. Neulich schrieb jemand bei LinkedIn, oft heisse das, es sei im Ton unfreundlich. Ich habe einen Chef, der wirklich nach uns schaut und respektvoll und freundlich mit allen Menschen um geht. Es gibt natürlich nötige Hierarchien, wer welche Entscheidungen trifft. Ich schätze übrigens auch die Lösungsorientiertheit. Wenn es ein Problem gibt, wird geschaut, wie man es in Zukunft verhindern kann.
Wir sind ein Team und wir haben die liebste Officemanagerin. Ich mag das Miteinander sehr im ganzen Team. Das ist nämlich echt.
Ich habe übrigens am 1. Tag auch ein Diensthandy und einen Arbeitslaptop bekommen, da Datenschutz ernst genommen wird. Ich hatte schon Arbeitgeber, die meinten, man könne doch die privaten Geräte nutzen. Der Vorteil ist auch, ich kann das Handy auch ausschalten. Wichtige Anrufe rufe ich zurück. Aber wenn ich Freizeit oder Urlaub habe, bin ich eingeschränkt erreichbar. Ich bin aber so ausgestattet, dass ich immer auch problemlos ins Homeoffice wechseln kann, wenn nötig oder gewünscht.
Ein Kind braucht ein Dorf – Vereinbarkeit hat viele Faktoren
Wir haben aber auch das Glück, dass Berlin in der Hinsicht Osten ist. In NRW gab es nie genug Betreuungsplätze. Hier in Berlin gibt es für alle Kinder Plätze und in der 1. und 2. Klasse kostet die Betreuung nichts. (Den Hortgutschein zu bekommen war aber erst mal etwas aufwändig). Der Kleine geht liebend gern in den Hort und selbst ein Tagen, wo er eher nach Hause könnte, möchte er meistens bis 15 Uhr bleiben. Der Mittlere hat ausser Mittwochs bis 16 Uhr Schule (inklusive Lernzeit und AGs), der Große ist recht selbständig. Außerdem haben wir hier Freunde im Haus und man hilft sich gegenseitig aus.
Aber auch da kommt wieder mein Arbeitgeber ins Spiel. Ich nehme meine Kinder natürlich nicht grundsätzlich mit ins Büro. Ist es aber mal nötig wie neulich, weil ich für einen Termin Nachmittags zur eigentlichen Abholzeit (und Kind der Freunde krank) hin musste, nehme ich das Kind mit. Der Kleine saß selig vor meinem Laptop und guckte Dino-Videos und verspeiste Baby-Baturas, die ihm der Chefkoch extra gemacht hatte.
Vereinbarkeit von Familie und Job kann funktionieren
Ob Vereinbarkeit von Familie und Job gelingt, liegt aber an ganz vielen Faktoren und nicht alle kann man aktiv beeinflussen. Ich liebe meinen Job und gebe mein Bestes. Mich ärgert, wenn ich hinter meinen Ansprüchen zurück bleibe. Auch ein Grund, warum ich meine Stunden erhöht habe, das hatte ich auch ohne die unschöne Situation mit dem insolventen Auftraggebers von Bizzidad vor gehabt. Es liegt aber auch ganz viel an einem Arbeitgeber, der sieht, dass Kinder und Familie wichtig sind. Ein Freund stellte es grade so treffend fest bei mir: es ist schön, wenn ein Arbeitgeber auch guckt, dass es seinen Mitarbeitenden gut geht. Dass man als Person relevant ist. Mich motiviert ein „wie gefällt es DIR denn bei uns?“ und ein „mach Dir keine Sorgen, wir finden eine Lösung“ unheimlich, meinen Job gut zu machen. Natürlich gibt es auch Druck und es gibt auch Tage, die einfach nur stressig sind. Aber ich arbeite richtig gern da und immer lässt sich Job mit der Familie vereinbaren, eben weil Verständnis dafür da ist, dass jemand Zuhause sein muss, wenn die Kleinen kommen. Dass ich Vorlauf und Planung brauche, wenn etwas ausserhalb meiner üblichen Arbeitszeit liegt. Ich versuche es meinerseits dann auch möglich zu machen. Denn mein Job ist abwechslungsreich und ich will mich mit dem Unternehmen entwickeln. Manchmal ruckelt es, manchmal ist es eine große Herausforderung, aber eine, die mich erfüllt.
Dazu ist es eben eine Frage der Betreuung. Teilweise war auch mal der Hort zu und ich bin rotiert. Oder es kam die Info, alle sollten ihre Kinder bitte nach Unterrichtsschluss abholen. Ohne meinen Arbeitgeber, die Kolleg*Innen, die dann auch mal etwas lieberweise übernehmen, ohne die Betreuung in der Schule und ohne unser direktes Umfeld wäre es nicht machbar. Für diese Privilegien bin ich dankbar.
Was wünscht Ihr Euch zur Vereinbarkeit von Job & Familie?
PS: da so viele fragen: ich liebe das Essen bei immer noch und esse fast jeden Tag im Büro und gehe auch in meiner Freizeit immer gern in die Restaurants.