Werbung ohne Auftrag* Mir fällt zur Zeit etwas ungenehm auf. Auf Englisch gibt es dazu einen Begriff „mom-shaming“, Kommentare über andere Eltern bzw. Mamas. Anders gesagt: Lästern, teils unter dem Deckmantel (ungebetener) Ratschläge oder Nachfragen mit Unterton. Mir fiel das neulich bei einem meiner eigenen Postings bei Instagram (ich freue mich, wenn Ihr mir folgt) auf und gestern einer Diskussion bei Twitter. Bei Twitter ging es darum, dass derjenige angeblich einen Vater auf einem Spielplatz gesehen hatte, der nicht reagierte, als sein Kind „guck mal“ rief und weiter auf das Handy starrte und er habe geantwortet, das Kind habe gelächelt und so mache man das.
Beurteilen unbekannter Situationen ohne Kontext
Mir stößt sowas sauer auf. Keiner von uns kennt die Personen und den Kontext. Hat der Vater vielleicht grade ein ernstes Problem bei der Arbeit? Ist ein Freund oder Verwandter krank oder braucht dringend Hilfe? Vielleicht hat er sich den ganzen Tag pausenlos mit dem Kind beschäftigt und sie sind auf den Spielplatz gegangen, unter der Prämisse, dass das Kind spielt und er Arbeit erledigt? Oder er hat einfach einen schlechten Tag, ist müde oder vorher lief der Tag richtig mies?
Bestimmt bin ich auch mal die unfaire Mama, die sich in einer Situation falsch benimmt. Meistens merke ich das dann auch, manchmal aber erst später. Aber die Erklärung oder Entschuldigung bekommen Beobachter nicht mit.
Kommentare bei Instagram
Löckchenzauber berichtete heute das, was ich diese Woche selbst erlebt habe. Sie bekommt Kommentare, dass ihr 4-jähriges Kind auch mal im Buggy sitzt und sie sich dann rechtfertigen muss. Genau das ist mir diese Woche passiert. Ich habe ein Foto gepostet, hier das Titelbild, auf dem der Kleine im Buggy sitzt und der Mittlere mit ihm Blödsinn macht. Warum denn mein 4-Jähriger (er ist nebenbei nicht 4, sondern 3) im Buggy säße, ob er keine Füße habe. Ihre Kinder seien alle gelaufen in dem Alter. Unter dem Beitrag von Löckchenzauber berichten auch viele ander Eltern von diesen Kommentaren.
„Warum sitzt der noch im Buggy?“
Großes Thema, weil es eben besonders offensichtlich ist. Ich habe dazu mal ausführlich gebloggt. Denn interessanterweise ist es völlig legitim, wenn Kinder jeden Meter mit dem Auto transportiert werden. Ein Kind im Buggy dagegen wird kommentiert, ob es nicht laufen könne. Wie immer ist auch das eine Momentaufnahme, wo der Kontext fehlt und woher weiß der Kommentator denn, ob das Kind nicht vorher oder wann auch immer 10km gelaufen ist? Auf den vorhandenen Füßen?
Wir nutzen den Buggy immer noch. Natürlich geht der Kleine auch zu Fuß. Aber wenn er müde ist (nach dem KiGa), ich Einkäufe schleppen muss oder besonders bei langen Wegen in Großstädten nehmen wir den Buggy. Neulich war ich alleine mit den Kindern ohne Buggy ein Wochenende in Berlin. Klar ging das. Aber ob das immer so spaßig war? Wie oft sieht man Eltern dann müde Kleinkinder tragen oder gar hinter sich her zerren? Daher, unser Kleiner wird so lang im Buggy fahren, wie er das möchte und es sein Leben und unseres bequemer macht.
„Der hat noch einen Schnuller!“
Als unser Großer, der immer schon groß war, mit 1,5 im Buggy sitzend von einer Fremden angesprochen wurde, wieso so ein großes Kind im Buggy sitzen würde und einen Schnuller habe, war ich sprachlos. Das war nämlich der 1. Kommentar dieser Art und ich war perplex. Was geht es die Fremde an? Meine Antwort war nur sachlich „er ist 1,5 Jahre alt“. „oh“.
Die Erfahrung mit unseren Großen hat gezeigt, alle haben irgendwann freiwillig, von sich aus, ohne Tränen ihren Schnuller abgegeben. Andere Leute geht es nichts an, der einzige Mensch, der da Mitspracherecht hat, ist unser Zahnarzt. Ich halte nichts von unnötigem Druck und Stress. Wenn das Kind meint, es brauche seinen Schnuller, darf es das.
„wie kann man nur sein Kind Tablet schauen lassen!“ – die bösen Medien
Wieder einmal Twitter. Ein Bild von den Kindern, die im ICE jeweils mit Kopfhörern am Tablet saßen, wurde zum Aufreger. Wie ich denn „so ein Kleinkind“ (3,5) Medien konsumieren lassen könnte. Vorweg: wir verteufeln ohnehin keine Mediennutzung. Auch Zuhause wird ferngesehen. Mal mehr und mal gar nicht. Es vergeht auch mal eine Woche ohne Fernsehen.
Im ICE fahren aber auch andere Menschen mit. Mit Sendungen und kindgerechten Spielen mache ich die Fahrt für alle angenehmer. Für das Kind, das Spaß hat, meine Nerven werden geschont und die aller Mitreisenden. Ich durfte mir übrigens auch anhören, dass ich mich „nie“ mit meinen Kindern beschäftige, keine Kinder mag und mir gar keine hätte anschaffen sollen. Das waren die Schlussfolgerungen aus dieser Momentaufnahme.
Langzeitstillen oder Milchflasche – beides „schlimm“
Von „länger“ stillenden Mamas (was offenbar 6 Monate sind, wer bis dahin nicht stillt wie ich, ist eine Rabenmutter, die dem Kind „das Beste“ verwehrt, wer darüber hinaus stillt, gibt dem Kind „Plörre) höre ich es und erlebe es selbst. Milch. Es ist verpönt einem größeren Baby, Kleinkind oder Kind Milch zu geben, ob aus der Brust oder der Flasche. Völlig Aussenstehende haben dazu eine laute Meinung. Kinder könnten doch essen. Dass Stillen oder die Milchflasche viel mehr ist als Nahrungsaufnahme, nämlich auch Liebe und Nähe und ein wohliges Gefühl im Bauch? Egal. Wie oft ich höre, andere hätten keine Lust, einem Kind „immer noch“ eine Flasche zu machen. Unsere Kinder bekommen ihre Milch, so lange sie es brauchen. Der Große hatte mit 8 Monaten gar keine Milch mehr, der Kleine mag seine kuschelige Milchflasche im Arm.
Auf ein Handy guckende Eltern? Das Allerschlimmste!
Dazu lese ich andauernd Beiträge, wie schlimm andere Eltern „nur“ und „immer“ aufs Handy schauen (wie diese Beiträge ohne Handy entstehen, bleibt mir unklar). Sicher gibt es Eltern, die sich wenig für ihre Kinder interessieren. Es gibt aber auch Eltern, die einfach mal Zeit für sich nutzen, Kontakte pflegen oder arbeiten. Aus einer Momentaufnahme kann ich nicht entnehmen, ob Eltern sich „nur“ mit dem Handy beschäftigen oder nicht.
Meine Eltern hatten keine Handys, aber da wurde dann eben ausgiebige Zuhause telefoniert oder die Freundinnen haben auf dem Spielplatzt gequatscht und nicht jede Sekunde auf uns Kinder geschaut. Natürlich brauchen Kinder Aufmerksamkeit, da stimme ich zu. Aber nicht 24/7 ungeteilt.
Einfach mal nicht Verurteilen!
Jeder von uns lästert bestimmt mal oder einem gefällt eine Situation nicht. Aber wird es besser, wenn man sich selbst und seine Unfehlbarkeit auf Social Media feiert und über andere Eltern urteilt? Warum braucht man das? Oder teilt man auch im wahren Leben allen seinen Freunden mit, wenn Papa X auf dem Spielplatz auf das Handy geschaut hat oder ein Buch auf einem Reader gelesen hat (gedruckte Bücher sind offenbar zulässig)?
Wir sind alle Menschen und haben verschiedene Einstellungen, was das Kind und „Erziehung“ betrifft. Solange es aber keine anderen Menschen beeinträchtigt oder deutlich dem Kindswohl schadet (Schläge, Verwahrlosung) oder man die Menschen kennt und den Kontext und daher eventuell eher beurteilen kann, ob dem Kind geschadet wird, wäre es schön, einfach mal nicht zu urteilen. Und wenn wirklich etwas im Argen liegt, ein Kind lieblos und nicht angemessen behandelt wird, kann man vielleicht Hilfe anbieten oder es ggf. an entsprechende Stellen melden statt auf Social Media zu posten.
Liebe und Nähe und nicht fehlerfrei
Wir sind alle Menschen. Wir machen Fehler. Man verhält sich doof oder unfair. Manchmal hat man danach ein schlechtes Gewissen. Aber das gehört eben auch zum Leben dazu. Aus Fehlern kann man lernen. Es gibt schlimmere und weniger schlimme Fehler. Manchmal sehen Dinge auch anders aus als die Situation wirklich ist. Ich mache manchmal Sachen oder sage etwas, das ich bereue, weil es unfair und falsch war. Dann bitte ich aber mein Kind um Entschuldigung, erkläre es und versuche, daraus zu lernen. Da brauche ich kein „Gericht“ auf Twitter oder Instagram. Und es gibt Dinge, die ich entscheide, weil sie keinen etwas angehen, nämlich, wie lang mein Kind im Buggy fährt, eine Milchflasche trinkt oder Windeln trägt. Auch da bin ich der Meinung, dass sich alles von alleine ergibt und das hat nun bei drei Kindern funktioniert. Zu ihrem Zeitpunkt.
Unsere Kinder werden geliebt und bekommen Nähe, wie sie sie brauchen. Perfekte Eltern braucht keiner und auch nicht ununterbrochene Aufmerksamkeit.
Wie seht Ihr das Thema denn? Begegnen Euch Be- und Verurteilungen anderer Eltern?
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Ich glaube, jeder urteilt und hat Meinungen über andere, denn es gibt zum Glück so viele Arten zu leben, die alle ok sind. Deine Beispiele sind gut und es gibt leider Tausende mehr…. Wie zelebriert man Weihnachten, welcher Urlaub ist der Beste, welche Schwimmabzeichen braucht man wann…………. Ich finde Fragen auch ok, aber jeder hat seine Art zu leben, solange es allen gut tut und das muss der Fragende akzeptieren.
Ich sehe das Problem aber darin, dass es leider wirklich heute viele Mamas gibt, die sich total super finden und es in perfekten Accounts vermitteln. Damit meine ich nicht Dich, Du bist realitätsbezogen!
Ich habe selbst 2 Kinder (4 und 7) und arbeite auf einem Erlebnisbauernhof. Was sich da manche Mütter herausnehmen, ist unglaublich und es fällt mir oft schwer, denen nicht die Meinung zu geigen. Seien es Kinder, die mit dem Roller durch den Hofladen sausen, die ich dann darauf hinweise, dass es verboten ist. Die Kids brechen in Tränen aus und die Mutter sagte: „Sehen Sie, was Sie getan haben?“ Kids die einfach Sachen nehmen und reinbeißen und die Mütter finden es ok. Eltern, die Kindergeburtstage verlangen, die nach 5-Sterne-Hotel klingen und bei denen sie nix zu tun haben und sich in der Zeit lieber einen bechern. Es gibt sie leider zuviel, die Eltern, die sich völlig daneben benehmen und vielen Menschen ein völlig falsches Bild vermitteln.
Ich versteh Dich, aber es gibt leider echt zu viele von denen, die unsere Elterngesellschaft in ein ganz schlimmes Licht stellen!
Danke für Deinen sehr reflektierten Kommentar! Du hast auch völlig recht, es gibt auch Eltern, die komplett ignorant sind, dass es auch andere Menschen gibt und die sich rücksichtslos verhalten. Selbst bei antiautoritärer Erzieher hören aber eigentlich die eigenen Rechte da auf, wo die anderer tangiert werden. Wir leben Miteinander. Kritik darf sein, aber es ist eine Frage des Kontexts. Mir fällt besonders eben auf, dass die scheinbare Anonymität des Internets zu Lästereien und wirklich bösen Kommentaren führt. Ich durfte mir dazu auch anhören, dass das mein Beruf sei und man daher alles sagen und kommentieren dürfe.
Deine Einschätzung zu manchen Accounts im Internet teile ich auch, bei einigen wirkt alles perfekt. Manchmal zu perfekt, zumindest für mich. Ich bin nicht perfekt. Weder ich noch mein Leben. Ich bin nicht durchgestylt und ich bin auch mal müde, unfair, genervt oder einfach „eine ganz doofe Mama!“.
Liebe Grüße!
Oh wie wahr!
Ich kenne fast nahezu alle Beispiele auch selbst aus eigener Erfahrung. Unser kleiner ist nämlich auch sehr groß und hat dazu schon früh recht gut gesprochen und wir durften uns ebenfalls mit diesen Kommentaren, warum er denn noch immer im Buggy sitzt oder getragen wird rumschlagen.
Da wir auch sehr viel reisen, nutzen wir natürlich gerne ein Tablett, um ihm lange Wartezeiten und Flugreisen angenehmer zu gestalten. Finde das auch überhaupt nicht verwerflich. Natürlich kamen auch schon Kommentare wie man mit einem Kleinkind so weit fliegen kann.
Manchmal sollten die Leute ihre Energie lieber für effektivere Dinge aufbringen, als darüber nachzudenken warum andere Eltern so anders handeln. Ist doch gut, wenn nicht jeder gleich ist.
Natürlich kann sich niemand davon frei schreiben zwischendurch auch mal über andere zu urteilen, aber im Großen und Ganzen sollte man eben manchmal darüber nachdenken, muss ich dazu nun wirklich einen Kommentar abgeben.
Und es sei mal gesagt, sie werden nicht bis sie 18 sind im Buggy sitzen oder Schnuller haben.
Viele Grüße
Claudia
Liebe Claudia, eben, genau das meine ich. Wir urteilen alle, in unseren Köpfen und vielleicht sagt man mal etwas zu einer Freundin. Aber dieses öffentliche Lästern und Verurteilen ohne Kontext, fällt mir grade extrem auf. Auch die Schlussfolgerungen. Weil es ein Bild von meinem Kind mit Tablet im ICE gibt, wird gesagt, ich würde mich nie (!) mit meinen Kindern beschäftigen und hätte keine Lust auf Kinder und warum ich welche hätte. Es wird über Eltern geurteilt, die in einem Moment vielleicht nicht grad die Sternstunde ihrer Elternschaft erleben. Zumindest ich mache Fehler und handle auch mal richtig doof und unfair oder meckere, wo ich im Unrecht bin. Heute Morgen zum Beispiel waren wir spät dran und während ich versucht habe, noch die letzten wichtigen Sachen einzupacken, durfte ich gleichzeitig den Kleinen daran hindern, schon zu gehen. Ja, da habe ich gemeckert, dass er jetzt bitte mal stehen bleibt und kurz nicht redet, damit ich denken kann. Optimal gelaufen? Nein. Doofe Planung meinerseits. Aber ist jetzt eben so gewesen, Morgen stelle ich mir einen frühen Wecker und packe die Tasche wieder Abends.
Meine Kinder werden auch Donnerstag im Zug wieder Tablet gucken. Denn zu dritt entwickeln sie bei freiem Spiel eine Lautstärke, die nicht nur für mich, sondern auch für alle anderen Fahrgäste anstrengend ist. Natürlich reden sie und lachen, aber wildes Gekreische ist eben nicht so super in geschlossenen Räumen. Die Stickerhefte vor 2 Wochen haben wir nach 15 Minuten weggepackt, das ging gar nicht. Wir selbst hören doch auch gern Musik im Zug oder gucken eine Sendung auf dem Tablet, wenn wir nicht arbeiten müssen.
Witzig finde ich aktuell die Kommentare und Ratschläge für den Kleinen. Er ist mein drittes Kind. Ich glaube nicht, dass wir da völlig naiv sind. Die anderen haben weder Schnuller noch trinken sie Milchflaschen oder fahren Buggy. Die Windeln waren auch alle zu ihrem eigenen Zeitpunkt los.
Liebe Grüße!