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Wahlfamilie als Familienmodell – aber ich vermisse meine Großeltern immer noch

Da ich mich im letzten halben Jahr mehr mit verschiedenen Modellen von Familie beschäftigt habe, kam in Gesprächen oft das Thema darauf, wie wir „Familie“ leben. Denn der Kontakt zu meiner Verwandtschaft mütterlicherseits ist fast komplett beendet. Meine Mutter ist absolute Bezugsperson hier und sehr wichtig für uns alle. Aber aus ihrer Familie besteht nur noch sehr lockerer Kontakt zu meiner Cousine und meinem Cousin. Denn für mich zählt nicht, ob man blutsverwandt ist oder auf dem Papier verwandt, sondern die Menschen. Daher ist unser Familienmodell die Wahlfamilie.

Wir leben Wahlfamilie

Zur Verwandtschaft von Bizzidad besteht absolut kein Kontakt mehr. Meine Schwiegermutter lebt nicht mehr und auch das war schwierig. Sie starb einige Wochen vor Geburt des Großen. Ich bin ohnehin Einzelkind. Daher stellte sich bei der Taufe des Großen die Frage, wer denn Taufpat*Innen würden. Aus meiner Sicht ist Familie sowieso Familie. Meine allerliebste Lieblingscousine fragte, ob es Patencasting gäbe, sie würde sich gern bewerben.

Wahlfamilie leben - Familienmodell
Unsere Kinder haben Geborgenheit und verschiedene Bezugspersonen

Wir hatten schon seit vielen Jahren die Tradition des „3. Weihnachtsfeiertags“, nämlich für Freund*Innen. Das bedeutete ab Kaffeezeit open house, Abends dann Raclette und alle Freund*Innen waren willkommen. Für einige mit schwieriger familiärer Situation war es auch ein Highlight ihres Weihnachtens. Einfach ein entspannter und fröhlicher Tag ohne Druck und Konventionen a la „wieso habt Ihr keine Tischdecke?!“.

Ein gemütlicher Abend mit der Wahlfamilie – da brauchts auch keine Tischdecke

Freund*Innen als Pat*Innen für die Kinder

Unsere „Familie“ besteht also aus meiner Mutter und meinem Vater (plus Partnern) und als enge Familie definiere ich auch meine Lieblingscousine und ihre Eltern. Ein Gefühl von Familie hatte ich auch immer bei ihren Großeltern, mit denen ich eigentlich nicht verwandt bin. Mein Lieblingsonkel und meine Lieblingstante sind einfach super.

Daher lag es für uns nahe, die Pat*Innen aus unserem engsten Umfeld auszusuchen. Menschen, die unser Leben und unsere Kinder begleiten. Der Große hat theoretisch zwei Patentanten. Einen Kontakt haben wir beendet. Die andere Patentante wohnt weiter weg. Der Mittlere hat zwei Paten und der Kleine hat viele Patinnen. Eine davon ist die „Ehrenpatentante“ des Großen als Ersatz.

Wahlfamilie
Meine geborgene Kindheit – die erleben auch unsere Kinder nur mit Wahlfamilie

Für unsere Kinder ist es Familie

Diese Menschen sind immer schon enger Teil des Lebens unserer Kinder, wie auch meine Cousine und ihre Familie. Vielsagend finde ich, dass der Mittlere, der eigentlich extrem gefremdelt hat, bei den Paten absolut nicht fremdelte. Außer uns Eltern war für ihn nur die Oma akzeptabel. Der Große hatte damals eine U beim Kinderarzt und Bizzidad hatte einen wichtigen Arbeitstermin. Ich brachte den Mittleren, da ca. 8 Monate alt, zu den Paten mit der Absprache, ich komme im Notfall sofort holen. Er hat dort auch seinen gleichaltrigen Patencousin. Immer, wenn wir dort die Wohnung betraten, krabbelte der Mittlere einfach fröhlich mit dem Cousin weg. An dem Tag bekam ich irgendwann ein Foto, wie der Mittlere entspannt auf der Brust seines Patenonkels schlief. Ich bin übrigens die Patin des Cousins. Für unsere Kinder ist das ihre Wahlfamilie und ganz viel Sicherheit und Vertrauen.

Wahlfamilie
Zum Geburtstag kommt die Wahlfamilie natürlich auch

Oma und Opa haben

Für mich waren neben bei meinen Eltern Oma und Opa die wichtigsten Bezugspersonen. Gab es Streit Zuhause, habe ich „ich ziehe zu Oma und Opa!“ angekündigt. Unsere Kinder kündigen Umzug zu Oma an, wenn es hier ätzend ist. Alle drei haben sehr engen Bezug zur Oma, sie ist gleichwertig mit uns Eltern. Wenn wir nicht da sein können, ist die Oma da. In meiner Kindheit war es ähnlich. War Mama krank und fiel aus, kamen Oma und Opa. Sie waren da traditionell, Oma machte den Haushalt und Opa spielte mit mir. Ich war totales Opa-Kind. Meine Oma war die Seele der Familie. Ihr Tod ist nun Jahrzehnte her, ich war 15 damals. Aber Oma fehlt jeden Tag, ich vermisse sie und Opa unendlich. Als auch Opa starb, war es für mich kaum mehr „Familie“, da ich zu diesen Menschen eigentlich keinen Bezug hatte. Meine Omi kannte ich weniger, weil sie sehr weit weg wohnte und so viele Kinder, Enkel und Urenkel hatte.

Für unsere Kinder ist Oma eine zweite Mama und Opa ist der, mit dem man tolle Dinge erlebt wie Schwebetrolleybahnseilbummel und der sich um Computer und Fahrrad kümmert.

Wahlfamilie - Familienmodelle leben
Ich bei meinem geliebten Opa auf dem Arm

Familie ist mehr als Blutsverwandtschaft

Familie ist für mich eine Verbindung zwischen Menschen, die sich gern haben und für einander da sind. Unsere Kinder haben eine große Familie. Aber eben kaum jemand davon ist mit ihnen blutsverwandt, außer Großeltern und meine Cousine. Sie haben 2x „Großeltern“, also jeweils auch die Partnerperson meiner Eltern, die geschieden sind. Als da kurzzeitig eine Trennung war, war es schlimm für die Kinder. Ihre Cousinen und Cousins sind gleichzeitig ihre besten Freunde. Zu Geburtstagen und Feiertagen und auch so sieht man sich.

Andere Familien sind Patchworkfamilien oder sie haben auch Freund*Innen als Bezugspersonen. Auch Familien zu gründen, kann unterschiedlich sein. Manche Menschen entscheiden sich für Solomutterschaft und andere bekommen ein Kind bewusst mit einem Co-Elternteil. Es gibt Regenbogenfamilien. Wir müssen gesellschaftlich mal weg von der Definition von Familie als romantischer hetero Liebesbeziehung. Es können auch zwei Frauen oder zwei Männer oder drei oder vier Personen die Kernfamilie bilden. Kinder brauchen mindestens eine liebende Bezugsperson, die konstant für sie da ist. Wunderbar sind natürlich auch mehr Personen, die sich die Aufgaben aufteilen und dem Kind ein festes Netzwerk bieten.

Es ist nicht ein Familienmodell besser oder schlechter. Familie ist, was gelebt wird. Familie ist Liebe und Geborgenheit und ein sicherer Hafen.

Wahlfamilie - Familienmodelle Familienkonstellation
Wir sind die Kernfamilie – auf Niederländisch das „gezin“

In der Wahlfamilie auf toxische Menschen verzichten

Einer der Vorteile der Wahlfamilie ist auch, dass man toxische Menschen entfernen kann oder sie nie als Familie definiert. Den Erzeuger des Bizzidads kennen die Kinder nicht, der Große hat ihn kurzzeitig als Kleinkind erlebt, hatte aber nie eine Bindung zu ihm. Beendet man den Kontakt zu jemandem, springen andere Menschen mit ein. Ich brauche niemanden in meinem Leben, der zwar offiziell mit uns verwandt ist, aber nur auf dem Papier.

Verwandtschaft kann man sich nicht aussuchen. Wenn ich überlege, wie oft ich wegen einer Person den Mund hielt bzw. halten sollte. Diese Person gab so oft rassistische und generell unverschämte Kommentare von sich. Für meinen Opa habe ich da noch den Frieden gewahrt. Aber solche Menschen will ich nicht in unserem Leben.

Unsere Kinder erleben Wahlfamilie, sowohl eine enge Familie als eben auch eine erweiterte Familie mit Cousinen und Cousins. Denn die gäbe es sonst auch nicht, da ich keine Geschwister habe. Und meine Cousine ist dann Patin des Kleinen geworden, als bewusste blutsverwandte Familie und Wahlfamilie.

Was für ein Familienmodell lebt Ihr?

Ein Gedanke zu „Wahlfamilie als Familienmodell – aber ich vermisse meine Großeltern immer noch“

  1. Ich liebe mütterlicherseits die blutsverwandte Familie, mit der der 2. Weihnachtstag immer super ist. Das Thema Paten ist bei uns auch gut durchdacht und da gab es auch schon Trennungen. Das ist mE auch in Ordnung, da es um Bezugspersonen für die Kinder geht. Ich stelle meinem Sohn auch frei, ob er konfirmiert wird. Er möchte es für die Feier, aber dann gehört der Konfi auch dazu. Wenn er nich möchte, ist das völlig ok.
    Ansonsten lebe ich glücklich am Ende des Trennungsjahres im Wechselmodell mit Sohn, der mehr zu mir möchte und Patchwork als Mitteldistanzbeziehung.

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