Werbung ohne Auftrag* Seit März begleitet uns also die Pandemie. Im Februar hatte ich schon ein sehr ungutes Gefühl wegen der Berichte aus China. Aber beispielsweise an meinem letzten Morgen in London war der aufkommende Sturm ein größeres Nachrichtenthema. Dann ging es ziemlich schnell hoch. Im März wurden die Schulen geschlossen, genau zu dem Zeitpunkt, als ich die Kinder sowieso raus genommen hätte. Denn ich bin und bleibe als Diabetikerin Risikopatientin.
Wenig Differenzierung
Inzwischen nervt Corona uns alle. Wir haben eine Pandemie und eine Pandemie ist einfach scheiße. Daran kann man nichts schön reden. Die Maßnahmen und Einschränkungen zermürben.
Zwei Dinge nerven mich aber besonders. Auf der einen Seite, dass Menschen fahrlässig ihr und mein Leben und das anderer Menschen gefährden, indem sie weiter leben, als gäbe es kein Corona. Hier in NRW gilt Maskenpflicht ab Sekundarstufe 1 auch im Unterricht und Eltern klagen dagegen. Es werden munter Partys gefeiert, Mundschutz verweigert und keinerlei Abstand eingehalten.
Die zweite Sache, die mich richtig ärgert, ist, dass es offenbar keine Differenzierung zwischen „nichts tun und sich einigeln“ und „alles tun als sei Corona vorbei“ gibt.
Risiken abwägen
Ich bin gefährdet. Daher gucke ich sehr genau, was ich mache. Schätze ich mein individuelles Risiko als groß ein, lasse ich es sein. Dafür wird mir dann gern vorgehalten, ich habe völlig unbegründete „Panik“ und ich sei sowieso nicht gefährdet. Besonders gern von Menschen, die mich nicht mal kennen, geschweige denn meine Anamnese.
Wenn ich ein Risiko für gering halte und mir etwas dieses geringe Restrisiko dann wert ist, mache ich manche Dinge eben dann doch. Besonders, wenn ich selbst mit in der Hand habe, wie hoch das Risiko letztendlich ist. Denn vieles liegt an meinem eigenen Verhalten. Aber auch das ist wieder ein Grund, verurteilt zu werden. Denn dann benehme ich mich angeblich „fahrlässig“.
Unterschiedliche Risiken beim Reisen
Wir waren im Sommerurlaub in Zoutelande. Auf Social Media wird „Urlaub“ oft pauschal verurteilt oder die Menschen reisen und feiern als sei alles prima.
Ich bin der Meinung, durch die Art des Reisens (Anreise mit eigenem Auto, alleinstehendes Ferienhaus) war schon das Grundrisiko vertretbar. Vor Ort haben wir uns sehr bewusst verhalten. Also keine Shoppingbummel, wir waren einmal gezielt zur Mittagszeit in einigen Läden. Einkaufen waren wir nur wenig, dafür hatten wir Vorräte mit. Wir sind antizyklisch zum Beispiel Eis holen gegangen, wenn es leer war. Genauso haben wir generell Abstand gehalten und unsere Planung risikoarm gestaltet. Radtouren auf wenig befahrenen Strecken, eher später an den Strand, wenn Abstand gut möglich war. Ganz individuell empfinde ich das Risiko dort für uns und andere als geringer als Zuhause. Denn dort hatten wir keine Mitbewohner im Haus, keine Paketdienste, keine Nachbarn, die Social Distancing anders interpretieren als wir, keine Post, keine Schule, kein KiGa. Also im Endeffekt viel weniger Kontakte zu Menschen als Zuhause. Denn auf so Dinge wie Essen gehen haben wir ebenfalls verzichtet.
Wir waren in Berlin
Ganz böse Kommentare gab es, als der Große und ich mit bizzidad nach Berlin gefahren sind. Bizzidad hatte berufliche Termine dort. Wir sind mit dem Auto gefahren und hatten ein Apartment.
Im Treppenhaus haben wir wie vorgegeben Mundschutz getragen. Wir sind alle Wege zu Fuß gegangen und haben keinen ÖPNV benutzt. Diesmal waren wir auch in keinem Museum, sondern sind einfach durch Berlin gebummelt. Das waren auch 15km am Tag. Essen waren wir, aber nur, weil das komplett draussen war. In zwei Läden war ich mit Mundschutz. Einmal eine neue Trinkflasche für den Großen kaufen und kurz im Buchladen. Ich sehe auch da kein größeres Risiko als Zuhause und das Restrisiko war es mir wert. Es liegt eben auch an meinem eigenen Verhalten und meiner Vorsicht, wie hoch ein Risiko ist.
Ich möchte auch noch leben
Ich möchte leben. Das beziehe ich darauf, dass ich weder Corona bekommen möchte (oder andere anstecken) als auch, dass ich auch Menschen und Abwechslung brauche. Wie schon gesagt, ich überlege sehr gut, wie hoch das Risiko einer Sache ist, die ich mache und ob es mir das wert ist. Es gibt aber offenbar Menschen, die noch besser wissen, was ich mache und ein pauschales Risiko aussprechen. „Du reist“ oder „Du gehst raus“.
Letzte Woche war ich mit einer Freundin Abends weg. Wir hatten etwas Sorge, dass das Wetter kippt, denn für mich war klar, ich gehe in kein Café rein. Doch wir hatten Glück, das Wetter hielt, wir saßen einen wunderbaren Abend draussen (mit Abstand) und haben uns gut unterhalten. Meiner Psyche tat das so gut.
Wir hatten jetzt auch 3x Besuch bisher. Immer draussen, Balkon oder Garten. Für mich ist das die beste Lösung. Ich brauche Freunde. Aber sich draussen treffen, verringert das Risiko so, dass es mir das wert ist.
Infektionszahlen und Leichtsinn
Bei uns steigen die Infektionszahlen massiv. Ich vermute, wir überschreiten bald die 50 Neuinfektionen in 7 Tagen auf 100.000 Einwohner. Das finde ich extrem unschön. Aber ich habe den Eindruck, dass bei vielen Corona als Thema abgehakt ist. Lieber hängt man Verschwörungsideologien nach als Verantwortung zu übernehmen und sich ein bißchen einzuschränken. Corona ist bedrohlich, aber die Bedrohung zu verdrängen, das schadet uns allen. Ich möchte keine Menschen verlieren und ich möchte weder sterben noch an Long Covid leiden. Das wünsche ich auch niemand anderem.
Wir scheinen die einzigen zu sein, die einen Elternabend vor Ort für unnötig und risikoreich halten. Ich habe richtig Bauchschmerzen, dass NRW die Möglichkeiten, Kinder vom Präsenzunterricht zu befreien, wenn ein Familienmitglied RisikpatientIn ist, fast abgeschafft hat. Laut Land soll ich mich doch einfach Zuhause schützen und Abstand halten.
Gestern Abend habe ich diverse Partys über den Innenhof gehört. In Düsseldorf ist ein Konzert mit 13.000 Menschen geplant. Ich habe kein Verständnis. Ich finde Corona genauso ätzend. Natürlich hätte ich gern mein normales Leben und Leichtigkeit zurück. Aber diese seltsamen Lockerungen sind für mich nicht logisch. Meine Schulkinder müssen draussen auf dem Schulhof Mundschutz tragen, aber Menschen im Restaurant nicht?
Mittelwege finden
Offenbar gibt es aktuell oft nur Schwarz oder Weiß. Es werden einem sämtliche bewussten Abwägungen abgesprochen. Es gibt nur „panisch“ oder „leichtsinnig“. Natürlich sind manche Menschen leichtsinnig und mich ärgert das, weil sie mich und andere ebenfalls gefährden. Aber ich sehe Bilder von Partyurlaubern und großen Feiern, aber bekomme dann Vorwürfe, weil ich mich bewusst und unter Vorsichtsmaßnahmen in die Welt da draussen bewege. Manche würden Menschen wie mich gern komplett wegsperren, damit sie alles wieder machen können.
Können wir nicht alle unser Bestes geben, diese Pandemie einzudämmen? Uns vorsichtig verhalten, aber gleichzeitig eben auch wahr nehmen, dass Menschen Risiken für sich und andere auch abschätzen? Nicht jeder Urlaub ist leichtsinnig, nicht jeder Kontakt unnötig. Aber muss man direkt die große Party feiern? Kann man da nicht Abstriche machen und nur wenige Menschen einladen? Ist es zuviel verlangt, dass jemand kurz den vielleicht etwas unangenehmen Mundschutz trägt, damit auch andere Menschen etwas mehr Schutz haben?
Wir lernen immer mehr über dieses neuartige Virus. Wäre es nicht schlimmer, wenn wir Menschen hätten retten können und es nicht getan haben, als uns in gewissem Rahmen bewusst zu verhalten und wirklich zumutbare Maßnahmen befolgen? Unsere Septemberkinder werden auf einen Geburtstagsparty verzichten, das Juni-Kind hat mit drei Gästen (zwei davon Geschwister) draussen gefeiert. Sie verstehen, warum sie diesmal besser nicht groß feiern.
Corona wird uns noch lange erhalten bleiben. Ich hoffe auf eine Impfung. Aber bis dahin werde ich gucken, dass ich meinen Mittelweg finde und Risiken individuell abschätze. Aus meiner Sicht ist aktuell für uns die Schulpflicht das größte Risiko. Eins, an dem ich absolut nichts ändern kann.
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Ein sehr guter Text. Du bzw ihr macht alles richtig. LG Tanja
Danke! Ich weiß nicht, ob wir „alles“ richtig machen. Wir wägen ab und denken nach, schätzen Risiken ein, gucken, wie groß Risiken mit angepasstem Verhalten sind. Es kamen aber genug böse Stimmen, dass wir im Urlaub waren oder ich mit in Berlin war. Denn es wird nicht differenziert. Wir müssen nur eben einen Weg finden, der so sicher wie möglich ist, aber wie man langfristig mit leben kann.